2. Sonn­tag im Jah­res­kreis B (17.01.2021)

(1 Sam 3, 1–10.19; 1 Kor 13c-15a.17–20; Joh 1, 35–42)

Au­dio­ver­si­on

Lie­be Schwes­tern und Brüder,

erd­ge­schicht­lich gab es im­mer wie­der ei­nen Wech­sel von Warm- und Kalt­zei­ten. Wie bei so Vie­lem wis­sen wir nicht so recht, war­um das ei­gent­lich so ist. Auch in der Glau­bens­ge­schich­te Is­ra­els gab es im­mer wie­der Zei­ten, in de­nen Gott als na­he oder als fer­ne er­fah­ren wur­de. Das geht dem Chris­ten­tum nicht an­ders, ob es das nun wahr ha­ben will oder nicht. Und man soll­te vor­sich­tig mit schnel­len Ant­wor­ten sein, vor al­lem wenn sie die Ur­sa­chen da­für im man­geln­den Glau­ben oder in ei­ner ach so „gott­lo­sen“ und sä­ku­la­ri­sier­ten Welt se­hen wol­len. Und na­tür­lich kennt auch un­se­re ei­ge­ne Glau­bens­ge­schich­te sol­che Pha­sen, die uns mehr oder we­ni­ger stark ver­un­si­chern kön­nen. War­um er­wäh­ne ich das? Weil in der 1. Le­sung des Lek­tio­nar zum heu­ti­gen Sonn­tag wie­der ein­mal Ver­se weg­fal­len, die ei­gent­lich wich­tig sind. Da heißt es näm­lich in Vers 1: „In je­nen Ta­gen wa­ren Wor­te des Herrn sel­ten; Vi­sio­nen wa­ren nicht häu­fig.“ (1 Sam 3, 1)
Es han­delt sich al­so bis da­hin um ei­ne Pha­se des Got­tes­schwei­gens. Ei­ne sol­che Pha­se gilt es tap­fer aus­zu­hal­ten und nicht gleich weg­zu­re­den bzw. weg­zu­er­klä­ren. Ei­ne sol­che Pha­se birgt näm­lich die Chan­ce, Gott wie­der neu zu su­chen, weil er doch im­mer un­end­lich viel grö­ßer ist als al­les Den­ken über ihn, als al­le noch so schö­nen, re­li­giö­sen Ge­füh­le und tol­len Got­tes­er­fah­run­gen. Es ist dar­um im­mer wich­tig, Räu­me zu schaf­fen, in de­nen Got­tes Schwei­gen und ge­fühl­te Ab­we­sen­heit zur Spra­che kom­men dür­fen, oh­ne dass ei­nem des­we­gen man­geln­der Glau­be un­ter­stellt wird. Es ist wich­tig, die Sin­ne als Got­tes­füh­ler zu ver­ste­hen und Hö­ren und Se­hen zu schär­fen. Nicht um­sonst steckt in den Sin­nen das Wört­chen „Sinn“.
Wir brau­chen im­mer wie­der Men­schen wie Eli und Jo­han­nes, die Er­fah­run­gen ha­ben und uns hel­fen, Le­ben und Er­fah­run­gen zu deu­ten. Bei­de sind ir­gend­wie Pro­to­ty­pen von ech­ten, geist­li­chen Be­glei­tern, die Men­schen wirk­lich zu Gott füh­ren und nicht in ei­nen ei­ge­nen Fan­club.
Sa­mu­el lernt se­hen, die Jün­ger im Evan­ge­li­um zu­nächst das Hö­ren und dann auch das Se­hen. Ich fin­de es toll, wie bei­de von sich weg­wei­sen und den Mut ha­ben, Men­schen ge­hen zu las­sen, da­mit sie ih­re je ei­ge­ne Be­ru­fung und ih­ren Le­bens­sinn fin­den und ihr bzw. ihm fol­gen kön­nen. Na­tür­lich hat nicht je­der von uns sol­che geist­li­chen Ko­ry­phä­en an sei­ner Sei­te. Ver­mut­lich ist das auch nicht im­mer nö­tig. Denn Le­bens­deu­ter, die wir al­le im­mer wie­der brau­chen, kön­nen uns Freun­de, Seel­sor­ge­rIn­nen, Kin­der, Ju­gend­li­che und Se­nio­ren wer­den. Da­zu brau­chen sie kei­ne Aus­bil­dung, noch müs­sen sie dar­um wis­sen, was oh­ne­hin im­mer bes­ser ist. Wenn wir de­mü­tig und of­fen ge­nug sind, kön­nen wir in ih­ren Wor­ten Got­tes Stim­me und in ih­ren Ta­ten Got­tes Tun er­ken­nen.
Manch­mal sind es auch Geis­tes­blit­ze und Ge­dan­ken, die uns be­rüh­ren, manch­mal sind es Tie­re und Pflan­zen, manch­mal ganz sim­pel er­schei­nen­de Er­eig­nis­se, in de­nen Gott zu uns spricht. Fast im­mer aber sind un­se­re Sin­ne Sin­nerschlie­ßer, vor al­lem da, wo ei­ner wirk­lich zu­hört und im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes An­se­hen ver­leiht. Da muss nicht gleich das Wort „Gott“ im Spiel sein. Man kann auch oh­ne die­ses Wort Sinn und Le­bens­deu­tung fin­den.
Für Gott­su­cher frei­lich hat Sinn und Le­bens­deu­tung im­mer mit dem Ge­heim­nis Got­tes zu tun. Sie ent­de­cken Gott als lie­be­vol­len Le­bens­grund und dass es Sinn macht und schafft, aus Lie­be zu le­ben, wo und wie im­mer uns das mög­lich ist. Mö­ge Gott uns durch sei­nen Geist da­für die Sin­ne schär­fen und uns Sinn fin­den und le­ben las­sen. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)