21. Sonn­tag im Jah­res­kreis (22.08.2021)

(Jos 24, 1–2a.15–17.18b; Eph 5, 21–32; Joh 6, 60–69)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
in den letz­ten Mo­na­ten ha­ben vie­le Chris­ten ih­rer Kir­che den Rü­cken zu­ge­kehrt. Grün­de da­für gab und gibt es na­tür­lich zur Ge­nü­ge. Die Le­sung aus dem Ephe­ser­brief wird so man­che Frau ge­är­gert ha­ben. Denn die­ser Text riecht mod­rig und scheint aus längst ver­gan­ge­nen Zei­ten zu sein. Kein Wun­der, wenn die Fra­ge Je­su aus dem Evan­ge­li­um, „wollt auch ihr weg­ge­hen?“, so weit weg für vie­le auch nicht ist. Und den­noch: bei al­lem Är­ger über viel­leicht männ­li­chen Chau­vi­nis­mus in der Kir­che und oft sehr ein­sei­ti­ger In­ter­pre­ta­tio­nen von Schrift­stel­len, ist die Fra­ge Je­su doch sehr ernst ge­meint. Denn sie be­zieht sich ja auf ihn und die Be­zie­hung, die wir zu ihm ha­ben. Sie ist bei­na­he je­ner Fra­ge ähn­lich, die Jo­sua in der ers­ten Le­sung den Is­rae­li­ten stellt: „Ent­schei­det euch heu­te, wem ihr die­nen wollt!“ (Jos 24,13). An­ders ge­sagt, könn­te man auch sa­gen: „Ent­schei­det euch, was Fun­da­ment eu­res Le­bens und eu­res Glau­bens sein soll!“ In den Is­rae­li­ten wer­den wir bei­spiel­haft dar­an er­in­nert, dass Glau­be kei­ne Ge­fan­gen­schaft, son­dern Be­frei­ung sein soll. Gott ist ein Gott der Be­frei­ung, ei­ner wirk­li­chen Frei­heit, die uns hilft, uns nicht von Göt­zen ver­skla­ven und ma­ni­pu­lie­ren zu las­sen. Die uns hilft, ehr­lich zu blei­ben und nicht die Au­gen vor all dem zu ver­schlie­ßen, was „Rea­li­tät“ ge­nannt wird, die uns oh­ne­hin frü­her oder spä­ter ein­ho­len wird, wie wir das ge­ra­de dras­tisch in Af­gha­ni­stan und an­ders­wo er­lebt ha­ben.
Je­sus sehnt sich da­nach, dass wir trotz und in al­lem nicht von ihm und sei­ner Bot­schaft weg­ge­hen. Woll­te er doch auch, dass wir Got­tes Lie­be und Nä­he glau­ben und ei­ne Be­zie­hung zu ihm zu­las­sen, die nicht von Angst, son­dern von Ver­trau­en ge­prägt ist, die nicht auf Ge­setz und Leis­tungs­fröm­mig­keit, son­dern auf Lie­be und Barm­her­zig­keit setzt. Und ge­nau das näm­lich war und ist die In­ten­ti­on des Ephe­ser­brie­fes heu­te. Das Wort „un­ter­ord­nen“ ist ein schlech­tes Wort. Es meint aber, dass wir aus Be­zie­hun­gen kei­ne Macht­spiel­chen ma­chen, noch je­ne Fra­ge, wer an­geb­lich in Got­tes Na­men „den Hut auf­hat“. „Un­ter­ord­nen“ heißt, her­un­ter­kom­men von al­len Rös­sern von Über­le­gen­heits­ge­füh­len (Ras­sis­mus), um auf Au­gen­hö­he und in wert­schät­zen­der Lie­be mit­ein­an­der un­ter­wegs zu sein. Da hat der Ephe­ser­brief für an­ti­ke Ver­hält­nis­se tat­säch­lich ganz neue Maß­stä­be ge­setzt. Denn schließ­lich gilt das Ge­bot der Lie­be Je­su nicht nur abs­trakt, son­dern in al­len Be­rei­chen des Le­bens; selbst­ver­ständ­lich nicht nur für Ehe und Part­ner­schaf­ten, son­dern auch für Be­zie­hun­gen in der Kir­che und für de­ren Amts­per­so­nen. Für all die­se Lie­bes­for­men gilt als Vor­bild das tie­fe Ge­heim­nis, wie Chris­tus die Kir­che, al­so kon­kre­te Men­schen, liebt.
Die­ses Vor­bild wer­den, brau­chen und kön­nen wir nicht er­rei­chen, aber es kann uns An­sporn sein für je­den Ver­such zu lie­ben, auch wenn man­che Ver­su­che nicht ge­lin­gen mö­gen. Wie sag­te Je­sus heu­te noch im Evan­ge­li­um? „Nie­mand kann zu mir kom­men, wenn es ihm nicht vom Va­ter ge­ge­ben ist!“ (Joh 6, 65) Das gilt ei­gent­lich für al­les und soll­te uns im­mer wie­der neu mit de­mü­ti­ger Dank­bar­keit er­fül­len, wenn wir ein we­nig mehr ver­trau­en, hof­fen und lie­ben dür­fen. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)