21. Sonn­tag im Jah­res­kreis A (27.08.2023)

(Jes 22, 19–23; Röm 11, 33–36; Mt 16, 13–20)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
das Ein­zi­ge, was heu­te die 1. Le­sung und Evan­ge­li­um mit­ein­an­der ver­bin­det, ist das Stich­wort „Schlüs­sel“. Viel­leicht wird es ir­gend­wann ein­mal ei­ne Zeit ge­ben, in der man das Wort „Schlüs­sel“ nicht mehr ver­steht, weil schon heu­te in Ho­tels und Pri­vat­häu­sern an­de­re For­men des Öff­nens und Schlie­ßens prak­ti­ziert wer­den.
Das Wort „Schlüs­sel“ kann vie­le As­so­zia­tio­nen we­cken. Da kann man an Schlüs­sel­er­leb­nis­se, an Schlüs­sel­ge­walt oder an den pas­sen­den Schlüs­sel den­ken und vie­les mehr. Ein Schlüs­sel kann al­so öff­nen, wie schlie­ßen. Kei­nen pas­sen­den Schlüs­sel zu ha­ben, be­deu­tet ir­gend­wie, drau­ßen blei­ben zu müs­sen oder, im Ge­fäng­nis, nicht mehr hin­aus­zu­kom­men.
Im Evan­ge­li­um über­gibt Je­sus dem Pe­trus die „Schlüs­sel des Him­mel­rei­ches“. Das sind nicht die Schlüs­sel für den Him­mel und das ewi­ge Le­ben. Die wird Gott wohl kei­nem Men­schen über­las­sen. Auch ist nicht gleich bei den „Schlüs­seln des Him­mel­rei­ches“ an ei­ne Schlüs­sel­ge­walt zu den­ken, die dem Pe­trus die Macht gibt, Leu­te vom Him­mel­reich aus­zu­schlie­ßen. „Him­mel­reich“ ist in der Ver­kün­di­gung Je­su im­mer ei­ne Um­schrei­bung für die ir­di­sche Nä­he Got­tes. In­so­fern sind die „Schlüs­sel des Him­mel­rei­ches“ ei­gent­lich ei­ne bei­nah ziem­li­che Über­for­de­rung für Pe­trus und für je­den Men­schen, weil es uns oft nur sehr bruch­stück­haft ge­lingt, an­de­ren Men­schen die heil­sa­me Nä­he Got­tes er­fahr­bar zu ma­chen. So kann Pe­trus nach sei­nem Be­kennt­nis nur des­we­gen „se­lig“ sein, weil er das Be­kennt­nis zu Je­sus nicht aus sich selbst, son­dern als Ge­schenk des Him­mels er­ken­nen muss.
Je­sus macht den Si­mon ja nicht zu Pe­trus, zum Fel­sen, weil die­ser per­fekt und voll­kom­men ist, son­dern weil sei­ne Lie­be in sei­nen Feh­lern, Schwä­chen und in sei­ner Mensch­lich­keit nicht er­lischt. Und da Got­tes Lie­be sich we­gen un­se­rer Feh­ler, Schwä­chen und Sün­den nicht ver­schließt, soll Pe­trus al­len, die sich in ih­rer Arm­se­lig­keit von Got­tes Lie­be aus­ge­schlos­sen füh­len, aus die­ser Angst lö­sen und wie­der an Got­tes Lie­be bin­den. So je­den­falls hat es Je­sus stän­dig prak­ti­ziert. Kein Mensch soll­te sich das Recht her­aus­neh­men, auch qua Amt nicht, Men­schen von Got­tes Lie­be und Se­gens­er­fah­rung aus­zu­schlie­ßen. Das „Bin­den und Lö­sen“ be­zieht sich schon gar nicht auf die sog. „Beich­te“, son­dern ist der heil­sa­me Auf­trag, Men­schen im Ge­heim­nis Got­tes Halt fin­den zu las­sen und vor al­lem von und aus al­lem zu lö­sen und zu be­frei­en, was sie dar­an hin­dern könn­te.
Dem Pa­last­wäch­ter Sche­b­na in der 1. Le­sung aus dem Buch Je­sa­ja wird der Schlüs­sel ge­nom­men, weil er den Schlüs­sel und sei­ne Macht für Ei­gen­in­ter­es­sen und ge­gen die ihm an­ver­trau­ten Men­schen miss­braucht hat. Da­von sind al­le Schlüs­sel­trä­ger bis heu­te nicht aus­ge­nom­men.
Ob die­ser Je­sus, der das Him­mel­reich für vie­le heil­sam auf­ge­schlos­sen hat, uns zum Schlüs­sel­er­leb­nis wer­den kann, liegt auch an der Be­ant­wor­tung je­ner Fra­ge, die Je­sus an sei­ne Jün­ger und uns stellt: „Ihr aber, für wen hal­tet ihr mich“? Das Be­kennt­nis des Pe­trus zu Je­sus als „Sohn des le­ben­di­gen Got­tes“ meint ja auch, dass al­les, was Je­sus ge­tan und ge­sagt hat, ein Schlüs­sel zum Her­zen Got­tes war und ist.
Die­sen Schlüs­sel wün­sche ich uns al­len und dass wir sel­ber auch für an­de­re zum Schlüs­sel für die­se Er­fah­rung wer­den dür­fen. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)