(Jes 66, 18–21; Hebr 12, 5–7.11–13; Lk 13, 22–30)
Liebe Schwestern und Brüder,
man könnte als Prediger heute einfach so tun, als gäbe es die doch recht fragwürdigen Sätze der 2. Lesung aus dem Hebräerbrief und aus dem Lukasevangelium nicht. Manche werden versuchen, sie zu entschärfen oder sie so zu erklären, dass sie nicht mehr wehtun. Oder aber man kritisiert einen heute angeblich oft gepredigten „Kuschelgott“, der uns nichts mehr zumutet und freut sich über endlich klare Worte, die freilich nur „die anderen“ betreffen. Erstaunlicherweise kommen die tröstlichen Worte heute aus dem 1. Testament, aus dem Buch Jesaja. Die Jüngerinnen und Jünger des Propheten Jesaja, die während und nach dem babylonischen Exil wirkten, zeigten doch eine große Weite des Denkens und Herzens. Mit Gottes Hilfe übersprangen sie Mauern der Ab- und Ausgrenzung, wie wir sie heute im Lukasevangelium hören bzw. lesen können. Bei den Jesajaschülerinnen und ‑schülern gab es eine Offenheit für eine Vielvölkerwelt, wie sie schon die Perser praktizierten. Gott ist Vater und Mutter aller Völker, er ist ein Gott der Kleinen, der Ausgegrenzten, der Suchenden, Elenden, Geknickten, Traurigen, Enttäuschten….
Er braucht keine Tempel und Gotteshäuser mehr und macht jene zu Priestern, die das gar nicht dürften. Nein, er ist kein züchtigender Vater, als ob das selbstverständlich wäre. Und doch, diese Art von „Zucht des Herrn“ verachte ich und lehne sie ab. Für diesen Gott ist Jesus nicht gestorben, sondern für jenen, der den Verlorenen nachgeht und ein Freund der „Zöllner und Sünder“ ist, die in den Augen der selbsternannten Frommen eigentlich gehörig gezüchtigt werden müssten. Nein, und ich glaube auch nicht an jenen Gott, der einfach Türen verschließt und für immer aus seiner Liebe ausschließt. Ja, ich! kenne Menschen, die ich gerne ausschließen würde, die es wirklich, jedenfalls rein äußerlich, nicht verdient haben, am himmlischen Hochzeitsmahl teilzunehmen. Ich bekomme das wirklich manchmal nicht auf die Reihe und hoffe natürlich inbrünstig, dass ich nicht selbst dazu gehöre! Und wer hätte nicht auch schon Unrecht getan, jenes Kriterium also, das im Evangelium zum Ausschluss führt?!
Ja, es werden viele von Osten und Westen, von Norden und Süden kommen und bei Gott sein. Und es sind tatsächlich nicht zuerst die, die immer ganz oben standen, die die ersten und allwissenden Privilegierten waren, die sich das Recht herausnahmen, in Gerechte und Ungerechte, in Gläubige und Ungläubige, in Würdige und Unwürdige einzuteilen.
Ja, das bloße Dazugehören zur natürlich richtigen Religionsgemeinschaft ist kein Beruhigungsgrund, noch erlaubter Anlass, die Nase über andere zu rümpfen. Was zählt, ist das ehrliche Bemühen, ein Mensch zu sein, zu bleiben und zu werden und für ein liebevolles Miteinander zu sorgen, wo und wie immer es geht.
Die „enge Tür“ ist ein Bild dafür, wie sich jeder zu dieser Haltung höchstpersönlich entscheiden muss. Nur mit der Herde mitlaufen, kann man leider nicht.
Möge uns jene Offenheit und Weite der Jüngerinnen und Jünger des Jesaja, aber vor allem die von Jesus und Gott selber geschenkt sein, dessen letztes Wort nicht Gericht, sondern Liebe ist, und zwar für alle und alles. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)