(Jes 5, 1–7; Phil 4, 6–9; Mt 21, 33–42.44.43)
Liebe Schwestern und Brüder,
es gibt Berufe, da kann man die Früchte seiner Arbeit selten ernten. Handwerker können am Ende des Tages sehen, was sie mit ihrer Hände Arbeit geleistet haben. Ingenieure konstruieren staunenswerte, technische Meisterwerke. Ein Künstler schafft ein Werk und erhält viel Anerkennung dafür. Ein Mönch hat in den Augen von Außenstehenden eine bemerkenswerte Tagesordnung. Aber es gibt viele Berufe und stille, verborgene Dienste, die kaum einer zur Kenntnis nimmt. Doch genau sie sind es immer wieder, die das alltägliche Leben am Laufen halten. Und oft ist uns gar nicht bewusst, dass unser Klagen auf hohem Niveau das viele Dankenswerte schlicht übersieht.
Manchmal scheint mir, dass es Zeit ist, sich wieder neu und ganz entschieden zu fragen, was eigentlich der Sinn des Lebens sein könnte und danach zu suchen, privat wie gesellschaftlich und vermutlich auch kirchlich. Dazu braucht man gehörigen Mut, denn das ist meistens nichts, was gerade eine Mehrheit tut und denkt oder gerade hipp ist.
Der heilige Paulus gibt der Gemeinde in Philippi bzw. Birkenwerder und anderswo einige Ratschläge, die nichts mit dem Lied der Gruppe „Die Prinzen“ mit dem Titel „Du musst ein Schwein sein“ zu tun hat, obwohl „Die Prinzen“ damit einen Sinn aufgreifen, um den es gerade nicht geht. Wer aber würde ernst nehmen, was der heilige Paulus schreibt? „Was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht.“ (Phil 4,8)
Das klingt etwas verstaubt und auch die Begriffe sind interpretationsbedürftig. Aber sie sind andere Worte für das Gegenteil, wovon Die Prinzen singen. Denn was wir brauchen und eigentlich selber immer wieder ersehnen, ist nicht ein Schwein, sondern ein Mensch. Du musst ein Mensch sein, schlägt der heilige Paulus vor. Klage nicht darüber, dass es vielleicht so viele nicht sind. Erwarte es nicht nur einfach von „denen da oben“ oder von irgendwo da unten. Sei es selbst! Es geht um einen Wohlstand, der zwar kein Geld, aber sehr wohl viel Kraft kosten kann, zumal man die Früchte nicht unbedingt sieht. Es geht auch um keinen religiösen Wohlstand, der sich auf religiöser Leistung ausruht und sich damit begnügt. Der aber genauso vergessen kann, dass es darum geht, ein Mensch zu sein. Schon bei meinem Theologiestudium kritisierte ein Professor diesen Gedanken als bloßen Humanismus. Aber was heißt hier „bloß“? Und waren die Prophetinnen und Propheten aller Zeiten nicht vor allem schärfste Sozialkritiker, die nichts anders sagten, als die Mystiker und Mystikerinnen aller Religionen und eben auch die heilige Therese von Lisieux, deren 150. Geburtstag wir dieses Jahr feiern, wenn sie schreibt: „Die Liebe zu Gott wird an der Liebe zum Nächsten gemessen!“ Das ist ja der Kummer Gottes bis heute, von dem wir in der 1. Lesung und im Evangelium gehört haben. Da geht es auch nicht um vergangene Andere, sondern auch um die, die heute leben und oft meinen, es viel besser zu machen, als die in vergangenen Zeiten. Daran ändert auch nichts, wenn man sich selbst als das „neue Volk Gottes“ begreift.
Was bringt mir das nun, wenn ich versuche, nicht ein Schwein, sondern ein Mensch zu sein? Das schreibt der heilige Paulus in Vers 7, wenn es da heißt: „Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in Christus Jesus bewahren.“ Der „Friede Gottes“ ist ein ganzheitlicher Friede für Leib und Seele, ist ein Wohlstand, den man auch Zufriedenheit nennen könnte. Die Herzen und Gedanken in Christus Jesus zu bewahren, heißt, seiner Botschaft von der heilsamen Liebe und Nähe Gottes zu glauben. Sie muss immer wieder neu im Herzen und in den Gedanken verteidigt werden, weil so viel Unheiles Herzen und Gedanken besetzen möchte, was weder Zufriedenheit, noch Menschsein wachsen und gedeihen lässt.
Du musst ein Mensch sein in dieser Welt, das singt uns Jesus ins Herz und schlägt es als Sinn für alle Menschen vor.
Je mehr Menschen das zu leben versuchen, desto mehr Menschen mit zufriedenen Gesichtern wird es geben. Derer gibt es viele, überall auf der Welt, oft auch unter schwierigen Bedingungen. Vielleicht ernten sie selber die Früchte ihres Menschseins rein äußerlich nicht. Aber ohne sie wäre die Welt ärmer und kälter und gottleerer. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)