27. Sonn­tag im Jah­res­kreis A (08.10.2023)

(Jes 5, 1–7; Phil 4, 6–9; Mt 21, 33–42.44.43)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
es gibt Be­ru­fe, da kann man die Früch­te sei­ner Ar­beit sel­ten ern­ten. Hand­wer­ker kön­nen am En­de des Ta­ges se­hen, was sie mit ih­rer Hän­de Ar­beit ge­leis­tet ha­ben. In­ge­nieu­re kon­stru­ie­ren stau­nens­wer­te, tech­ni­sche Meis­ter­wer­ke. Ein Künst­ler schafft ein Werk und er­hält viel An­er­ken­nung da­für. Ein Mönch hat in den Au­gen von Au­ßen­ste­hen­den ei­ne be­mer­kens­wer­te Ta­ges­ord­nung. Aber es gibt vie­le Be­ru­fe und stil­le, ver­bor­ge­ne Diens­te, die kaum ei­ner zur Kennt­nis nimmt. Doch ge­nau sie sind es im­mer wie­der, die das all­täg­li­che Le­ben am Lau­fen hal­ten. Und oft ist uns gar nicht be­wusst, dass un­ser Kla­gen auf ho­hem Ni­veau das vie­le Dan­kens­wer­te schlicht über­sieht.
Manch­mal scheint mir, dass es Zeit ist, sich wie­der neu und ganz ent­schie­den zu fra­gen, was ei­gent­lich der Sinn des Le­bens sein könn­te und da­nach zu su­chen, pri­vat wie ge­sell­schaft­lich und ver­mut­lich auch kirch­lich. Da­zu braucht man ge­hö­ri­gen Mut, denn das ist meis­tens nichts, was ge­ra­de ei­ne Mehr­heit tut und denkt oder ge­ra­de hipp ist.
Der hei­li­ge Pau­lus gibt der Ge­mein­de in Phil­ip­pi bzw. Bir­ken­wer­der und an­ders­wo ei­ni­ge Rat­schlä­ge, die nichts mit dem Lied der Grup­pe „Die Prin­zen“ mit dem Ti­tel „Du musst ein Schwein sein“ zu tun hat, ob­wohl „Die Prin­zen“ da­mit ei­nen Sinn auf­grei­fen, um den es ge­ra­de nicht geht. Wer aber wür­de ernst neh­men, was der hei­li­ge Pau­lus schreibt? „Was im­mer wahr­haft, edel, recht, was lau­ter, lie­bens­wert, an­spre­chend ist, was Tu­gend heißt und lo­bens­wert ist, dar­auf seid be­dacht.“ (Phil 4,8)
Das klingt et­was ver­staubt und auch die Be­grif­fe sind in­ter­pre­ta­ti­ons­be­dürf­tig. Aber sie sind an­de­re Wor­te für das Ge­gen­teil, wo­von Die Prin­zen sin­gen. Denn was wir brau­chen und ei­gent­lich sel­ber im­mer wie­der er­seh­nen, ist nicht ein Schwein, son­dern ein Mensch. Du musst ein Mensch sein, schlägt der hei­li­ge Pau­lus vor. Kla­ge nicht dar­über, dass es viel­leicht so vie­le nicht sind. Er­war­te es nicht nur ein­fach von „de­nen da oben“ oder von ir­gend­wo da un­ten. Sei es selbst! Es geht um ei­nen Wohl­stand, der zwar kein Geld, aber sehr wohl viel Kraft kos­ten kann, zu­mal man die Früch­te nicht un­be­dingt sieht. Es geht auch um kei­nen re­li­giö­sen Wohl­stand, der sich auf re­li­giö­ser Leis­tung aus­ruht und sich da­mit be­gnügt. Der aber ge­nau­so ver­ges­sen kann, dass es dar­um geht, ein Mensch zu sein. Schon bei mei­nem Theo­lo­gie­stu­di­um kri­ti­sier­te ein Pro­fes­sor die­sen Ge­dan­ken als blo­ßen Hu­ma­nis­mus. Aber was heißt hier „bloß“? Und wa­ren die Pro­phe­tin­nen und Pro­phe­ten al­ler Zei­ten nicht vor al­lem schärfs­te So­zi­al­kri­ti­ker, die nichts an­ders sag­ten, als die Mys­ti­ker und Mys­ti­ke­rin­nen al­ler Re­li­gio­nen und eben auch die hei­li­ge The­re­se von Li­sieux, de­ren 150. Ge­burts­tag wir die­ses Jahr fei­ern, wenn sie schreibt: „Die Lie­be zu Gott wird an der Lie­be zum Nächs­ten ge­mes­sen!“ Das ist ja der Kum­mer Got­tes bis heu­te, von dem wir in der 1. Le­sung und im Evan­ge­li­um ge­hört ha­ben. Da geht es auch nicht um ver­gan­ge­ne An­de­re, son­dern auch um die, die heu­te le­ben und oft mei­nen, es viel bes­ser zu ma­chen, als die in ver­gan­ge­nen Zei­ten. Dar­an än­dert auch nichts, wenn man sich selbst als das „neue Volk Got­tes“ be­greift.
Was bringt mir das nun, wenn ich ver­su­che, nicht ein Schwein, son­dern ein Mensch zu sein? Das schreibt der hei­li­ge Pau­lus in Vers 7, wenn es da heißt: „Und der Frie­de Got­tes, der al­les Ver­ste­hen über­steigt, wird eu­re Her­zen und eu­re Ge­dan­ken in Chris­tus Je­sus be­wah­ren.“ Der „Frie­de Got­tes“ ist ein ganz­heit­li­cher Frie­de für Leib und See­le, ist ein Wohl­stand, den man auch Zu­frie­den­heit nen­nen könn­te. Die Her­zen und Ge­dan­ken in Chris­tus Je­sus zu be­wah­ren, heißt, sei­ner Bot­schaft von der heil­sa­men Lie­be und Nä­he Got­tes zu glau­ben. Sie muss im­mer wie­der neu im Her­zen und in den Ge­dan­ken ver­tei­digt wer­den, weil so viel Un­hei­les Her­zen und Ge­dan­ken be­set­zen möch­te, was we­der Zu­frie­den­heit, noch Mensch­sein wach­sen und ge­dei­hen lässt.
Du musst ein Mensch sein in die­ser Welt, das singt uns Je­sus ins Herz und schlägt es als Sinn für al­le Men­schen vor.
Je mehr Men­schen das zu le­ben ver­su­chen, des­to mehr Men­schen mit zu­frie­de­nen Ge­sich­tern wird es ge­ben. De­rer gibt es vie­le, über­all auf der Welt, oft auch un­ter schwie­ri­gen Be­din­gun­gen. Viel­leicht ern­ten sie sel­ber die Früch­te ih­res Mensch­seins rein äu­ßer­lich nicht. Aber oh­ne sie wä­re die Welt är­mer und käl­ter und gott­lee­rer. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)