(Jes 35, 1–6b.10; Jak 5, 7–10; Mt 11, 2–11)
Liebe Schwestern und Brüder,
unlängst saß ich im Zug von München nach Berlin und hatte erzählbegeisterte Nachbarn. Um mich da ein wenig zurückzuziehen, setzte ich meine Kopfhörer auf und hörte ein Livekonzert der Eagles, einer berühmten, amerikanischen Band, die 1971 in Los Angeles gegründet wurde. Was mich überhaupt an Livekonzerten immer wieder staunend fasziniert, ist die Begeisterung und Freudenausrufe der Zuhörer, besonders bei beliebten und bekannten Titeln der Band.
Im Zusammenhang mit Religion und Liturgie in unseren Breitengraden kann ich mir so etwas überhaupt nicht vorstellen. Das sieht z.B. in manchen afrikanischen Kirchen oft ganz anders aus, wo Gläubige bei der Predigt des Pastors lautstark zustimmen und im Gottesdienst fröhlich singen und tanzen. Das ist freilich auch eine Mentalitätsfrage und wirkt, wenn wir das machen würden, eher steif und peinlich.
Auch in der Lesung heute aus dem Buch Jesaja wird gejubelt, gejauchzt und frohlockt. Grund dieser überschwänglichen Freude ist die Rückkehr vieler Israeliten aus dem Exil. Ich stelle mir also das Jubeln und Jauchzen vor und kann es mir leider in einem katholischen Gottesdienst hierzulande gar nicht vorstellen. Warum ist das eigentlich so? Ist unsere Religiosität so ernst, dass Freude und Jubel da keinen Platz haben? Obwohl „Evangelium“ „Frohe Botschaft“ heißt, ist von „froh“ oft so wenig zu spüren.
Vielleicht gibt es da eine gewisse Fixierung auf den Gekreuzigten, auf unsere Unwürdigkeit und Sündhaftigkeit, ein einseitiger Blick auf den Himmel von morgen? Aber was ist mit heute? Jesaja schwärmt nicht von einer Zukunft, die dann doch nicht kommt. Er besingt in seinen wunderschönen, poetischen Bildern die konkrete Erfahrung von Heil in der Gegenwart.
Und war es bei Jesus nicht genauso? Johannes der Täufer erwartet ja vielleicht eher einen Jesus, der mal so richtig auf den Tisch haut. Stattdessen verweist Jesus auf gegenwärtig, erfahrenes Heil.
„Bist du der, der kommen soll…?“, lässt Johannes fragen, der offensichtlich Zweifel hat. Jesus aber erklärt sich nicht, sondern verweist auf die Wunder von Heilung an Seele und Leib, verweist auf heilsame Verwandlung von krankmachenden Lebensumständen und steht somit ganz in der Tradition des Jesaja.
Wo so etwas zur Erfahrung wird, da muss doch Freude und Jubel sein, da können religiöse Menschen nicht anders, als diese Wunder auf Gott zu beziehen. Um Jetzt geht es also, um eine Gegenwart die jetzt schon heilsamer ist und nicht erst in der erhofften Ewigkeit.
Schauen wir doch auch auf Jesus, auf sein Leben, Handeln und Verkünden vor seiner Kreuzigung. Die ersten Darstellungen, die wir von Jesus haben, zeigen Jesus nicht als den Gekreuzigten, sondern als Guten Hirten.
Natürlich können wir nicht dauernd jubeln und frohlocken. Dazu ist das Leben leider manchmal zu ernst. Aber warum haben wir in unseren Liturgien, in unserer Sprache, in der Alltäglichkeit des Lebens scheinbar so wenig Grund zur Freude?
Möge im Blick auf die dritte Kerze des Advents uns die Ermutigung geschenkt sein, dass auch wir mit den biblischen Texten heute gemeint sind. Mögen wir „vom Herrn Befreite“ sein, möge sich dadurch wenigstens von Zeit zu Zeit etwas mehr Jubel und Freude einstellen, vor allem dann, wenn mal Kummer und Seufzen entflohen sind. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)