(Ex 20, 1–3.7–8.12–17; 1 Kor 1, 22–25; Joh 2, 13–15)
Liebe Schwestern und Brüder,
eigentlich passt es nicht zu unserem Jesusbild, dass Jesus so rabiat im Tempel gegen Verkäufer und Geldwechsler vorgeht. Er, der immer die Liebe predigte und lebte, macht sich eine Geißel aus Stricken und treibt sie alle aus dem Tempel hinaus. Jeder würde es verstehen, einen solchen Menschen durch die Polizei abführen zu lassen, wenn er z.B. bei einer Wallfahrt in dieser Weise auffällig werden würde. Was aber bringt Jesus so in Rage? Und darf er das so überhaupt? Wir müssten ja solch emotionale Ausbrüche sofort als Sünde beichten und außerdem würde man einen solchen Menschen nicht wirklich ernst nehmen.
Viele haben ja auch mit dem Zorn Gottes ein Problem, den es im Ersten wie im Zweiten Testament ja auch gibt.
Im Bezug auf die Ethik hat der katholische Theologe und Psychotherapeut Eugen Drewermann den Satz geprägt: „Nicht die Handlung, die Haltung entscheidet!“ Diesen Satz finde ich sehr schön und hilfreich, auch im Bezug auf Jesus und Gott. Ich denke, wir dürfen Jesus wie Gott unterstellen, dass ihre Herzen wirklich voller Liebe und keine Mördergrube sind. Wenn dem so ist, dann ist ihr Zorn nicht Ausdruck von Unreife, Gewalttätigkeit und Despotismus, sondern eine Kehrseite ihrer Liebe. Denn was für eine Liebe soll das denn sein, die seelenruhig zuschaut, wo Liebe permanent verletzt wird? Das wird natürlich zur quälenden Gottesfrage überall da, wo Gott in unseren Augen eben doch nichts gegen das Unrecht unternimmt und scheinbar nur zuguckt. Leider ist dieses Problem theoretisch nicht lösbar und bleibt als Stachel irgendwie im Herzen stecken.
Aber es ändert erst einmal nichts an der Annahme, dass Liebe manchmal entschiedenes Eingreifen verlangt und erfordert. Gottes Zorn ist also sein entschiedener Einspruch seiner Liebe gegen alle Liebelosigkeit, auch und vor allem, wenn es angeblich im Namen Gottes geschieht.
Keine andere Motivation treibt Jesus im Tempel, der im übrigen für alle offizielle Religion steht, auch des Christentums. Denn wie schnell machen sich „Gottesvertreter“ selber groß und stellen sich zwischen Gott und die Menschen und machen aus der Religion einen Handel zwischen Gott und den Menschen nach der Devise: so ich dir, so du mir. Wieviel von dieser Haltung eines Tauschhandels ist nicht in jedem Herzen, das für alle Frömmigkeit und religiöse Leistung einen Lohn erwartet. Diese Tauschhandelmentalität aber hat weder was mit Liebe zu Gott zu tun, noch mit jener Liebe, die Gott so wichtig im Miteinander der Menschen ist und so oft durch Leistungsfrömmigkeit umgangen und ersetzt wird!
Das hat Jesus vermutlich schon vorher auf die Palme gebracht und brachte im Tempel das Fass zum Überlaufen. Damit rüttelte er an Fundamenten offizieller Religion und an der Daseinsberechtigung von Priestern, die von der Tauschhandelmentalität lebten und leben. Das war sicher mit ein Hauptgrund seiner späteren Verurteilung.
Jesus durchkreuzt alle Religionspraxis, die nicht wirklich Gott meint und ebenso den Menschen und seine Liebe nicht.
Jesus war ein Tempel der Liebe Gottes. Mögen wir es auch immer wieder und immer mehr sein. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)