3. Sonn­tag der Os­ter­zeit (18.11.2021)

(Jes 49, 8–11; 13–16; Lk 24, 35–48)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
nor­ma­ler­wei­se sind die Le­sun­gen des Sonn­tags nach ei­nem kla­ren Sche­ma auf­ge­glie­dert. Die ers­te Le­sung ist im­mer aus dem 1. Tes­ta­ment, die zwei­te ist den Brie­fen des 2. Tes­ta­ments ent­nom­men und die drit­te ist im­mer aus ei­nem der vier Evan­ge­li­en. In der Os­ter­zeit al­ler­dings fällt auf, dass es kei­ne Le­sung aus dem 1. Tes­ta­ment gibt, wenn man mal von den Ant­wort­ge­sän­gen aus dem Buch der Psal­men ab­sieht. Si­cher, die Bot­schaft der Auf­er­ste­hung ist sehr wich­tig. Viel­leicht möch­te man das mit den aus­schließ­li­chen Le­sun­gen aus dem 2. Tes­ta­ment be­to­nen. Aber es fühlt sich für mich doch et­was merk­wür­dig an, wenn das 1. Tes­ta­ment in der Os­ter­zeit prak­tisch gar nicht vor­kommt. Denn ers­tens ist doch der Gott Je­su, der ihn von den To­ten er­weck­te, kein an­de­rer als je­ner, den Je­sus in den Tex­ten des 1. Tes­ta­men­tes glaub­te und ver­trau­te. Und zwei­tens gibt es im 1. Tes­ta­ment wun­der­schö­ne Tex­te, die of­fen sind und da­für öff­nen, dass Gott in sei­ner Lie­be Le­ben auch über den Tod hin­aus will. Oh­ne Zwei­fel muss man auch der Bi­bel ei­nen Glau­bens­pro­zess zu­bil­li­gen, in dem Men­schen im­mer wie­der neue Sei­ten an Gott ent­de­cken kön­nen bzw. Gott den Men­schen ei­nen Glau­bens­er­kennt­nis­zu­wachs schenkt.
Wenn wir al­so den Text aus dem Buch Je­sa­ja, den wir heu­te ge­hört ha­ben, mit ös­ter­li­chen Au­gen le­sen, dann öff­net er die Au­gen un­se­res Her­zens für ei­nen zwei­fa­chen Blick. Dann gilt die­se Ver­hei­ßung ein­mal für un­ser ir­di­sches Le­ben und zu­gleich auch für ein ewi­ges Le­ben, das kei­ne ir­di­schen Be­gren­zun­gen mehr kennt. Für das 1. Tes­ta­ment frei­lich wa­ren die Ver­hei­ßun­gen dem kon­kre­ten, ir­di­schen Le­ben zu­ge­dacht, so wie ja auch Je­sus nicht auf ein tol­les Jen­seits ver­trös­te­te, son­dern das Reich Got­tes als na­he ver­kün­de­te, in­dem er ir­di­sche Le­bens­läu­fe im Sin­ne des Je­sa­ja in heil­sa­me We­ge ver­wan­del­te. Gott will doch schon jetzt un­ser Le­ben, auch wenn so man­che Not uns wie Zi­on sa­gen lässt: „Der Herr hat mich ver­las­sen, Gott hat mich ver­ges­sen!“ (Jes 49, 14)
Die Auf­er­ste­hung re­la­ti­viert solch blei­ben­de Er­fah­rung nicht, noch wird sie ein­fach da­durch leich­ter. Aber es ist ein Hoff­nungs­licht von Gott her da hin­ein­ge­stellt, das Wor­te in un­ser Herz leuch­tet, wie sie eben in un­se­rem Text heu­te zu le­sen sind: näm­lich „den Ge­fan­ge­nen zu sa­gen: Kommt her­aus!, und de­nen, die in der Fins­ter­nis sind: Kommt ans Licht!“ (V9). „Kann denn ei­ne Frau ihr Kind­lein ver­ges­sen, ei­ne Mut­ter ih­ren leib­li­chen Sohn? Und selbst wenn sie ihn ver­ges­sen wür­de: ich ver­ges­se dich nicht. Sieh her: Ich ha­be dich ein­ge­zeich­net in mei­ne Hän­de!“ (V15f)
War­um sol­len die­se Wor­te nicht für das ir­di­sche, wie auch für das ewi­ge Le­ben gel­ten? Wenn Je­sus im Evan­ge­li­um den Jün­gern Frie­den (Scha­lom) wünscht, dann ist das et­was Um­fas­sen­des. Es ist ein Se­gens­wunsch, der Heil in ganz­heit­li­cher Wei­se wünscht. Mö­ge die­ser Frie­de uns auch ins Herz ge­sagt sein, als Heil und Hoff­nung für jetzt, für mor­gen und die Ewig­keit. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)