(Jona 3, 1–10; 1 Kor 7, 29–31; Mk 1, 14–20)
Liebe Schwestern und Brüder,
„Das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1, 15). Das ist sozusagen der Leitspruch des ersten öffentlichen Auftretens Jesu. In der Regel denken Menschen Gott eher als ferne, als irgendwie weit weg im Himmel. Meistens ist er auch beleidigt, weil die Menschen nicht so sind, wie er es erwartet. Darum gibt es Priester, die zwischen Gott und den Menschen vermitteln und im Namen Gottes Gnadengeschenke anbieten, die mit Gott versöhnen sollen. Die Frage ist aber, warum das Verhältnis der Menschen zu Gott so negativ definiert wird? Es ist dann eher angstbesetzt, weil man befürchtet, nicht in den Himmel zu kommen, und das wollen wir ja schließlich.
Dieses religiöse Konzept hat Jesus aus zweierlei Gründen über den Haufen geworfen. Erstens macht es aus Gott jemanden, den man eher fürchten als lieben muss. Aber ein solches Gottesbild verletzt Gott und widerspricht schon dem Gebot, dass man Gott lieben solle, wie es das täglich, wichtigste Gebet (Schema Jisrael) des Judentums beinhaltet (Dtn, 6, 4–9).
Und zweitens macht es Menschen zu Knechten und nicht zu „Kindern Gottes“, die eher aus Angst, denn aus Liebe, sich um ein anständiges Leben bemühen. Der islamische Mystiker Rumi (1207–1273), der in Afghanistan geboren und in Konya / Türkei gestorben ist, wollte deswegen sogar den Himmel abschaffen, damit die Menschen lernen, Gott um seiner selbst willen zu lieben. Und so will doch eigentlich jeder geliebt sein.
Wenn also Jesus sagt, dass das Reich Gottes nahe ist, dann sagt er, dass Gott nahe ist. Und zwar nicht als Sünderjäger, sondern als „Freund der Zöllner und Sünder“ (Lk 7,34), die wir alle sind. Umkehr, also wortwörtlich aus dem Griechischen mit „umdenken“ übersetzt, ist daher nötig, und zwar um Gottes, aber auch um der Menschen willen.
„Um Gottes willen“, um ihn aus dem Gefängnis bloßer moralischer Druckmittel zu befreien. „Um der Menschen willen“, um ihnen Gott zurückzugeben als liebevolle Quelle der Kraft und Zuversicht für das alltägliche Leben. In diesem Sinne von Umkehr sind wir wie die ersten Jünger am Meer von Galiläa herausgerufen aus dem gewohnten, gelernten und so lieb gewordenen, aber krankmachenden und lebensfeindlichen Verhaltensmustern, wie sie auf allen Ebenen des Lebens, auch des religiösen, zu finden sind.
Im griechischen Original steht bei Markus tatsächlich „Meer von Galiläa“ und nicht „See“, obwohl auch Markus wusste, dass der See Genezareth ein Binnensee war. Aber er knüpft mit dieser Bemerkung an das Schilfmeer des Exodus, des Auszugs aus Ägypten an, an jene Befreiungserfahrung durch Gott, die grundlegend schon für das Volk Israel war.
Ja, Aufbrüche sind jetzt wirklich not-wendend . Und niemand muss sich wundern, dass dies eben auch Brüche bedeutet. Aber das alles soll neben schmerzlichen Aspekten eben doch eine vor allem Frohe Botschaft sein, weil sie zu mehr Leben und Lieben befreien möchte. Dafür und darum ist Gott immer nahe. Das feiern wir jetzt auch in dieser Eucharistie. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)