30. Sonn­tag im Jah­res­kreis C (23.10.2022) — Sonn­tag der Weltmission

(Sir 35,15b-17.20–22a; Jer 29, 4–14; Lk 18, 9–14)

Lie­be Schwes­tern und Brüder,

der heu­ti­ge sog. “Sonn­tag der Welt­mis­si­on“ er­in­nert uns al­so dar­an, dass wir ei­ne Mis­si­on ha­ben. Das Wort „Mis­si­on“ kommt von dem la­tei­ni­schen Wort „mis­sio“, das wie­der­um meh­re­re Be­deu­tun­gen ha­ben kann. Ein­mal heißt es „Ab­sen­den“, es kann aber auch mit „Frei­las­sen“ und „Ab­schied“ über­setzt wer­den. Frei­lich kommt es da auch auf den Ge­samt­zu­sam­men­hang an, in dem es be­nutzt wird. Aber al­le Be­deu­tun­gen pas­sen auch gut in un­ser The­ma heu­te.
Ab­schied ge­nom­men ha­ben wir von ei­nem Mis­si­ons­ver­ständ­nis, das nur Mit­glie­der ge­win­nen will. Wie das in der Ge­schich­te des Chris­ten­tums oft ge­lau­fen ist, ist hin­rei­chend be­kannt. Ab­schied ge­nom­men ha­ben wir auch von der theo­lo­gi­schen Be­haup­tung, dass oh­ne Tau­fe und Kir­che nie­mand ge­ret­tet wer­den kann. Denn Gott al­lein ist es, der ret­tet. Das tut er mit sei­ner Lie­be, und Lie­be ist es auch, die er vor al­lem will. Mis­si­on heu­te ist tat­säch­lich vor al­lem ab­sichts­lo­se Lie­be, die kon­kret wird in acht­sa­mer Hil­fe zur Selbst­hil­fe. Men­schen wer­den hier nicht et­wa klamm­heim­lich ge­bun­den, son­dern frei­ge­las­sen für ihr ei­ge­nes Le­ben. „Frei­las­sen“, das kann das Wort „mis­sio“ näm­lich auch be­deu­ten.
Egal, wer mit wel­cher Mis­si­on auch im­mer un­ter­wegs ist, er soll­te auch be­den­ken, was uns die 1. Le­sung und das Evan­ge­li­um heu­te mit auf den Weg ge­ben wol­len. Nie­mand soll­te von sich glau­ben, dass er je­ne pha­ri­säi­sche Ver­su­chung nicht kennt, sich über an­de­re zu über­he­ben. Wie oft rich­ten wir uns dar­an auf, dass wir klü­ger, stär­ker, fort­schritt­li­cher, fröm­mer oder sonst was sind. Wie oft sind wir sel­ber froh, nicht wie die an­de­ren zu sein und ver­lie­ren, oh­ne dass wir das manch­mal sel­ber mer­ken, je­ne Lie­be, die Gott uns als wich­tigs­tes Ge­bot auf­ge­tra­gen hat. Ei­ne Mis­si­on, die das ver­gisst, wird kei­nen Er­folg ha­ben, wie im­mer man auch die­sen Er­folg de­fi­niert. Ei­ne Form man­geln­der Lie­be ist je­ne Selbst­ge­rech­tig­keit, die nur auf an­de­re her­ab­bli­cken kann. Da hel­fen auch kei­ne Ver­wei­se auf be­son­de­re Fröm­mig­keit und mo­ra­li­sche Spit­zen­leis­tun­gen. „Das Ge­bet ei­nes De­mü­ti­gen durch­dringt die Wol­ken“, hieß es bei Je­sus Si­rach, und bei Gott gibt es kein An­se­hen der Per­son, kei­ne Be­vor­zu­gung ge­gen­über ei­nen Ar­men. Got­tes Mis­si­on ist ab­sichts­lo­se Lie­be. Un­ge­rech­tig­keit und Selbst­ge­rech­tig­keit über­sieht er nicht, son­dern nennt sie beim Na­men und miss­bil­ligt sie.
Vor Gott kön­nen wir doch letzt­lich al­le nur be­ten wie der Zöll­ner im Evan­ge­li­um: „Gott, sei mir Sün­der gnä­dig!“ (Lk 18, 13) Wenn wir das ehr­lich tun, dann ist „Mis­si­on“ nicht nur „Ab­schied“, „Frei­las­sung“ und „Sen­den“, dann ist sie vor al­lem ei­ne Hal­tung der Lie­be, die kei­ne Er­nied­ri­gung, kei­nen Miss­brauch, kei­ne Selbst­ge­rech­tig­keit, kei­nen Hoch­mut mehr zu­lässt. Das ist heil­sam für die Men­schen und Ge­schöp­fe, das ist Got­tes­ver­eh­rung pur und bahnt ei­nem men­schen­wür­di­gen Le­ben für al­le und ei­ner fried­vol­le­ren Welt den Weg, auf dem uns Gott im­mer vor­an­geht und uns seg­nend be­glei­tet. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)