32. Sonn­tag im Jah­res­kreis (07.11.2021)

(1 Kön 17, 10–16; Hebr 9, 24–28; Mk 12, 38–44)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
die Hei­li­ge Schrift und Gott sel­ber be­vor­zu­gen für Haupt­rol­len in ih­ren Le­bens­ge­schich­ten Men­schen, die im öf­fent­li­chen und me­dia­len Be­wusst­sein kei­ne be­son­de­re oder gar kei­ne Rol­le spie­len. Heu­te sind es in der ers­ten Le­sung und im Evan­ge­li­um zwei ziem­lich ar­me Wit­wen, die vor al­lem durch ei­nes glän­zen: mit ih­rem Ver­trau­en und ih­rem so­li­da­ri­schen Ver­hal­ten. Es ist si­cher kein Zu­fall, dass der Evan­ge­list Mar­kus der ar­men Wit­we re­li­giö­se, ge­sell­schaft­li­che Leis­tungs­trä­ger ge­gen­über­stellt, die sehr dar­auf be­dacht sind, ge­se­hen und be­wun­dert zu wer­den. Klar kön­nen wir uns jetzt nicht zu­rück­leh­nen und sa­gen, wir hät­ten ja mit Schrift­ge­lehr­ten nichts zu tun. Schon die Evan­ge­lis­ten schrie­ben ih­re Evan­ge­li­en für ih­re kon­kre­ten Ge­mein­den und woll­ten ih­ren Mit­chris­ten et­was Wich­ti­ges für ihr ei­ge­nes Le­ben mit auf den Weg ge­ben. Denn es ist doch wirk­lich ei­ne Ver­su­chung des mensch­li­chen Her­zens, die wir al­le ken­nen, mehr zu schei­nen, als zu sein. Mir scheint manch­mal, dass es uns ge­ra­de un­se­re Zeit sehr schwer macht, ehr­lich und au­then­tisch zu sein und zu le­ben. Hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand darf man Vie­les nicht sa­gen und tun. Es gibt ei­nen gro­ßen Druck von au­ßen, der uns drängt, das zu tun und für rich­tig zu hal­ten, was ei­ne lau­te Mehr­heit und Öf­fent­lich­keit ge­ra­de für rich­tig hält. Wenn man so will, lei­den doch recht vie­le Men­schen an sog. „Pro­fil­neu­ro­sen“, was das Le­ben der Be­trof­fe­nen, aber auch der Mit­men­schen, nicht ge­ra­de leich­ter macht.
Das Ur­teil Je­su ist si­cher­lich hart, wenn auch nö­tig und viel­leicht not-wen­dend. Er will ja auch die Schein­wer­fer vor al­lem auf je­ne rich­ten, die die Welt und auch Kir­che, oft un­be­merkt, am Lau­fen hal­ten und mensch­lich ma­chen. Das sind ex­em­pla­risch heu­te am Bei­spiel der zwei Wit­wen vie­le Men­schen, die un­be­merkt und selbst­ver­ständ­lich im Klei­nen Gro­ßes tun, je­den­falls in den Au­gen Je­su und in den Au­gen Got­tes. Was an die­sen bei­den Wit­wen und al­len Wit­wen­men­schen auf­fällt, ist, dass sie wirk­lich noch ihr letz­tes Hemd tei­len und ei­ne So­li­da­ri­tät und Mensch­lich­keit le­ben, die nicht nur et­was, son­dern sich selbst gibt. Viel­leicht ist das ja noch die grö­ße­re Ga­be, sich selbst zu ge­ben, weil sie sich wirk­lich sel­ber ein­brin­gen und kei­ne Rol­le spie­len müs­sen, die oh­ne­hin nicht sel­ten viel Kraft und un­se­re bes­ten Le­bens­en­er­gien kos­tet.
Lasst uns doch Gott bit­ten, dass wir Au­gen für das klei­ne, gro­ße Kost­ba­re ha­ben, dass wir nicht nur klat­schen, son­dern Le­ben le­bens­wer­ter und mensch­li­cher ma­chen, wo und wie im­mer es uns mög­lich und ge­ge­ben ist. Das kann manch­mal si­cher auch Kraft und man­che Ver­let­zung kos­ten, aber es macht am En­de viel­leicht glück­li­cher und le­bens­fro­her und ist ein Zei­chen ge­leb­ten Glau­bens, das so­gar Pro­phe­ten wie Eli­ja und Je­sus im Her­zen er­freut und ih­rem Leib und ih­rer See­le ein­fach nur gut­tut. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)