(Spr 31, 10–31; 1 Thess 5, 1–6; Mt 25, 14–30)
Liebe Schwestern und Brüder,
manchmal muss man eher auf das hören und achten, was nicht gesagt oder auch weggelassen wird. Dies trifft heute besonders auf unsere 1. Lesung zu aus dem Buch der Sprichwörter. Da geht es nämlich um die „tüchtige Frau“, die im Lektionar so zusammengekürzt wird, dass sie ein ziemlich überholtes Bild von der Rolle der Frau bedient. Wir haben darum heute den ungekürzten Text gehört, und zwar die Verse 10–31 aus dem 31. Kapitel. Es lohnt sich, diese noch einmal in Ruhe nachzulesen. Denn das ist schon ziemlich revolutionär, was da geschrieben ist, gerade auch für antike Verhältnisse. Wenn man Menschen so auf bestimmte Rollen fixiert und reduziert, in unserem Fall eben die „tüchtige Frau“, dann folgt man sicher nicht dem Geiste Gottes, sondern offenbart eine gewisse Enge des eigenen Geistes, die man geradezu armselig und unbiblisch nennen kann. Das muss sich leider immer wieder auch die Kirche selber sagen lassen, die froh sein kann, dass sie so viele „tüchtige Frauen“ in der Diaspora oder wo auch immer hat. Ohne sie wäre die Kirche arm dran. „Entdecke, wer dich stärkt!“, also das Leitwort des heutigen Diaspora-Sonntages, kann eben nicht nur Jesus meinen, sondern eben all‘ jene, für deren Engagement man nur dankbar sein kann. Man möchte manchmal auch manchem Bischof ins Stammbuch schreiben: „Entdecke, wer dich stärkt!“ Vielleicht werden dann auch Frauen nicht mehr nur auf ein paar bestimmte Verse der „tüchtigen Frau“ reduziert.
Tüchtig im Evangelium sind auch zwei Diener, die ihre Talente vermehren. Ohne Zweifel hat der, der das eine Talent erhalten hat, Angst vor dessen Verlust und nutzte es nicht, um es vielleicht zu vermehren. Aber das hat der Mann, der auf Reisen ging, ja auch nicht ausdrücklich verlangt. Ehrlich gesagt, finde ich die Härte des Herrn gegenüber dem Diener mit dem einen Talent zu hart. Da sind mir deutsche Gerichte lieber, die nicht nur eine Tat, sondern auch deren Umstände betrachten wollen. Rein äußerlich scheint das manchmal ärgerlich und irgendwie ungerecht. Aber ich finde es grundsätzlich richtig, Menschen im Zusammenhang zu betrachten, ohne deswegen Schuld zu relativieren.
Aber wie gehen wir nun mit dem Gleichnis Jesu um und dem strengen Urteil des Herrn? Dieses Gleichnis ist ja eingebettet in das Thema „Wachsamkeit“. Und irgendwie läuft scheinbar alles auf die Frage hinaus, in was wir für einer Beziehung wir mit Gott leben. Das war ja schon letzten Sonntag die Frage.
Ist es eine Beziehung des Vertrauens, die auch zum alltäglichen Risiko der Liebe führt? Oder ist es eine Beziehung der Angst, die das Risiko scheut und nur Katechismuswahrheiten verwaltet? Das Ende des Gleichnisses und das Schicksal des Dieners mit dem einen Talent fördert nicht gerade mein Vertrauen. Aber manchmal liegt eben in der Überreibung die Anschauung. Nicht das Ende der Geschichte ist entscheidend, sondern die Botschaft der Ermutigung, Vertrauen und Liebe zu wagen.
„Entdecke, wer dich stärkt!“ heißt das Thema des heutigen Diaspora-Sonntages. Möge uns Vertrauen stärken und seien wir dankbar für alle, die uns darin unterstützen. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)