(Mal 3, 19–20b; 2 Thess 3, 7–12; Lk 21, 5–19)
Liebe Schwestern und Brüder,
es ist schon manchmal erschreckend, wie von vielen Seiten Ängste geschürt und verstärkt werden. Freilich sind viele Sorgen berechtigt: privat, gesellschaftlich, kirchlich, weltpolitisch, das Klima und die Arten betreffend. Dennoch aber sollten wir im wahrsten Sinne des Wortes nicht „den Kopf verlieren“. Ja, wir leben in unruhigen und bewegten Zeiten mit vielen unruhigen Geistern. Nur haben doch die Menschen aller Zeiten ihre Nöte und Sorgen gehabt, die sicher nicht weniger bedrückend waren als die unsrigen heute. Paulus und Jesus wollen uns vielleicht heute eine wichtige Haltung ans Herz legen, die gegen alle beinahe pathologische Hysterie notwendig ist, nämlich eine gewisse Nüchternheit. Damit ist nicht die Abwesenheit von Alkohol oder Drogen gemeint, sondern eine Haltung, die weder den Kopf, noch den Verstand verliert. Denn da, wo nur Angst geschürt wird, verzerrt sie die komplexe Wirklichkeit und führt zu irrationalen Überreaktionen. Eigentlich sollten Menschen, die zu glauben versuchen, etwas immunisierter gegen Hysterie und Manipulationen aller Art sein. Denn ihr Halt und ihre innere Freiheit sollten sie im Glauben daran finden, dass da jemand ist, dessen bedingungslose Liebe sie trägt, sie begleitet durch und in allen Stürmen des Lebens. So wertvoll dieses irdische Leben auch ist, es ist nicht alles. Wir erwarten schon einen „neuen Himmel und eine neue Erde“, die uns Gott schenken will. Wir müssen nicht alles von dieser Erde erwarten, nicht von uns selbst, nicht von anderen, schon gar nicht von selbsternannten Rettern, die uns endgültiges Heil auf Erden versprechen. Und natürlich ist auch der Glaube an Gott keine Versicherung dafür, dass ich vor aller Not bewahrt werde, vielleicht ja in aller Not. Wieviel Enttäuschung manchmal auch bei denen, die aus ihrem Glauben einen Handel gemacht haben, die für ihr frommes und gottgefälliges Leben von Gott erwarten, dass es ihnen besser geht als den in ihren Augen nicht so Frommen.
In meinen Augen ist es auch nicht so tröstlich, am Ende „die Überheblichen und Frevler“ vernichtet zu sehen, wie wir es aus dem Buch Maleáchi heute gehört haben. Freilich ersehne ich auch eine Zukunft, in der Menschen nicht mehr andere Menschen unterdrücken, bedrohen, bekriegen, ja töten. Aber ich kann mich nicht an deren Bestrafung aufrichten. Das ist kein Glaube und schlimmstenfalls in der Haltung auch nicht viel besser als das, was man den Bösen so vorwirft. Unser Vertrauen zu Gott sollte auch keine Bedingungen kennen, so wie wir es ja auch von seiner Liebe erhoffen.
Möge Gott uns einen Glauben schenken, der uns Halt und Kraft gibt für unser alltägliches Leben, in Freud, wie in Leid. Möge dieser Glaube uns helfen, auch im Blick auf die Zukunft, weder den Verstand, noch den Kopf zu verlieren. Möge dieser Glaube uns aber vor allem davor bewahren, angesichts von Angst, Hass und Gewalt unser Herz zu verlieren. Denn nur das Herz und die Liebe darin werden uns denken, fühlen und handeln lassen, wie Gott es sich für uns, unsere Mitmenschen und Mitgeschöpfe ersehnt. Daran lasst uns in Gottes Namen und in aller Nüchternheit und Gelassenheit mitarbeiten, wo immer wir gerade sind. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)