4. Ad­vents­sonn­tag A (18.12.2022)

(Jes 7, 10–14; Röm 1, 1–7; Mt 1, 18–24)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
als Je­sus öf­fent­lich auf­trat, war er um die 30 Jah­re alt. Drei Jah­re spä­ter wur­de er ge­kreu­zigt. Die­se drei Jah­re aber ha­ben die Welt ver­än­dert. Erst spät mach­te man sich dar­über Ge­dan­ken, was ei­gent­lich in den 30 Jah­ren pas­siert ist – und wuss­te es nicht. Das be­traf die Um­stän­de sei­ner Ge­burt na­tür­lich auch. Da es in der An­ti­ke üb­lich war, von be­son­de­ren Men­schen be­son­de­re Um­stän­de der Emp­fäng­nis und Ge­burt zu er­zäh­len, über­nah­men die Evan­ge­lis­ten Mat­thä­us und Lu­kas die­ses Stil­mit­tel und ent­war­fen Kind­heits­ge­schich­ten Je­su, in die sie ih­re theo­lo­gi­schen Aus­sa­gen über Je­sus hin­ein­schrie­ben.
Die­se Ge­schich­ten wol­len selbst­ver­ständ­lich nicht his­to­risch ge­le­sen, son­dern geist­lich me­di­tiert wer­den. Sie ent­hal­ten wirk­lich tief­sin­ni­ge Aus­sa­gen, die wahr sind, auch wenn sie un­se­re his­to­ri­sche Neu­gier nicht be­frie­di­gen kön­nen.
Denn es bleibt da­bei: die ers­ten 30 Jah­re des Le­bens Je­su blei­ben für uns völ­lig im Dun­keln, auch wenn wir wis­sen, dass sei­ne El­tern Ma­ria und Jo­sef hie­ßen und Je­sus ver­mut­lich wie Jo­sef als Zim­mer­mann ge­ar­bei­tet hat.
Der hl. Evan­ge­list Mat­thä­us tut zwar so, als wä­re al­les so ge­we­sen, wie er schreibt, aber sein tiefs­tes An­lie­gen sind nicht his­to­ri­sche Fak­ten, son­dern sei­ne Bot­schaft von dem be­son­de­ren Men­schen Je­sus, der ei­ne au­ßer­ge­wöhn­li­che Nä­he zum Ge­heim­nis Got­tes hat­te. Das drückt er eben schon mit der un­ge­wöhn­li­chen Emp­fäng­nis Je­su aus, die durch das Wir­ken des Hei­li­gen Geis­tes ge­schieht. Aber ei­gent­lich ge­schieht und wird Le­ben im­mer letzt­lich durch das Wir­ken des Hei­li­gen Geis­tes. Und je­de Mut­ter wird die Ge­burt ih­res Kin­des als ein Wun­der be­ken­nen.

Grund­aus­sa­ge des Tex­tes al­so sind we­der his­to­ri­sche, noch bio­lo­gi­sche, son­dern theo­lo­gi­sche und spi­ri­tu­el­le Aspek­te, die vor al­lem Je­sus be­tref­fen, des­sen Nä­he und Her­kunft aus Gott nicht bes­ser for­mu­liert wer­den kann als mit dem Be­griff des „Soh­nes Got­tes“.
Gott al­so bricht in ei­ner Wei­se in das Le­ben von Men­schen ein, dass das echt zu Kri­sen füh­ren kann, weil Gott sich of­fen­sicht­lich nicht an Kon­ven­tio­nen hält, an das, was wir von ihm glau­ben sol­len und wol­len und was wir für nor­mal hal­ten. Ma­ria und Jo­sef sind Men­schen, die für das Ge­heim­nis Got­tes of­fen und die auch in­ner­li­che Men­schen sind, weil sie über das nach­den­ken, was in ih­nen und mit ih­nen pas­siert. In­so­fern pas­sen sie bei­de ei­gent­lich ganz gut zu­sam­men.
Gott be­rührt die bei­den und wird zu ei­ner Brü­cke ver­tief­ter Be­zie­hung. Letzt­lich er­weist sich Gott in den bei­den als der, der er im­mer sein will: als Im­ma­nu­el, als „Gott mit uns“. Dies be­kommt in dem Kind Je­sus ein wun­der­vol­les Ge­sicht und Herz, so sehr, dass das Ge­heim­nis Got­tes selbst in die­sem Kind er­fahr­bar wird.
Ei­ne sol­che Er­fah­rung wün­sche ich uns al­len im Blick auf die vier­te Ker­ze am Ad­vent­kranz und weit dar­über hin­aus. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)