4. Fas­ten­sonn­tag B (10.03.2024)

(2 Chr 36, 14–16.19–23; Eph 2, 4–10; Joh 3, 14–21)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
im­mer wie­der wird mir be­wusst, wie si­tua­ti­ons­be­dingt das Pre­di­gen ist. Ei­ne Pre­digt von Bir­ken­wer­der kann man ver­mut­lich nicht so in Kri­sen – und Kriegs­ge­bie­ten hal­ten, wenn man will, dass sie et­was mit dem kon­kre­ten Le­ben zu tun ha­ben soll. Au­ßer­dem spielt na­tür­lich auch die Ge­sell­schafts­form, in der man lebt, ei­ne gro­ße Rol­le. Sie prägt ja auch das Den­ken und Füh­len der Men­schen, die man mit ei­ner Pre­digt er­rei­chen möch­te. Oder aber man ver­legt sich als Pre­di­ger auf all­ge­mein­gül­ti­ge Sät­ze, die man welt­weit in glei­cher Wei­se zu ak­zep­tie­ren hat. Das hat aber mit dem kon­kre­ten Le­ben dann nix mehr zu tun.
Wir dür­fen hier­zu­lan­de froh sein, in ei­ner De­mo­kra­tie le­ben zu dür­fen, die uns vie­le Frei­hei­ten und Mög­lich­kei­ten schenkt. Wir le­ben aber auch in ei­ner Leis­tungs­ge­sell­schaft, die das Le­ben vie­ler be­drückt.
Manch­mal scheint es auch, als wä­re uns in die­sem Zu­sam­men­hang ab­han­den­ge­kom­men, wie viel und Wert­vol­les uns in un­se­rem Le­ben schlicht ge­schenkt und un­ver­dient ist. Da­zu ge­hö­ren Lie­be und Freund­schaft, in­ne­rer Frie­de, ei­ne At­mo­sphä­re der Wert­schät­zung als ein­ma­li­ge und in­di­vi­du­el­le Per­so­nen und Vie­les mehr. Hin­zu kommt mög­li­cher­wei­se ein Ge­fühl des Un­ab­hän­gig-sein-wol­lens und von nie­man­des Gna­de und Wohl­wol­len ab­hän­gig sein zu müs­sen. Lei­der macht die­se Ein­stel­lung das Le­ben oft nicht hel­ler, son­dern dunk­ler.
Der Satz des hei­li­gen Pau­lus im Brief an die Éphe­ser „Aus Gna­de seid ihr ge­ret­tet, nicht aus ei­ge­ner Kraft“ (Eph 2, 5.8), die­ser Satz er­scheint uns viel­leicht un­an­ge­nehm, wo wir uns doch so Vie­les selbst er­ar­bei­tet ha­ben. Das ist ja auch gut und un­be­strit­ten, nur kann sich das eben lei­der nicht auf al­le Be­rei­che des Le­bens be­zie­hen.
Ich bin im­mer wie­der er­staunt dar­über, wie be­schämt wir zu ver­tu­schen su­chen, wo wir mit un­se­ren Be­grenzt­hei­ten, Feh­lern und un­se­ren Be­dürf­tig­kei­ten kon­fron­tiert wer­den. Da­bei kos­tet das so viel kost­ba­re Le­bens­en­er­gie, die wir für ganz an­de­re Din­ge brau­chen.
Im Grun­de wol­len uns die bi­bli­schen Tex­te des heu­ti­gen Sonn­ta­ges von je­ner krank­ma­chen­den Ideo­lo­gie be­frei­en, dass wir al­les sel­ber ma­chen und uns in je­dem Fall, auch re­li­gi­ös, stän­dig recht­fer­ti­gen müs­sen. „Nein“ sagt Gott zu die­ser Ideo­lo­gie, „Ja“ zu uns als ge­bro­che­ne, be­dürf­ti­ge und un­voll­kom­me­ne We­sen, was nicht aus­schließt, in die­ser Hin­sicht auch et­was dar­an zu ar­bei­ten.
Ja, ob wir es wol­len oder nicht, ich kann auf ei­nem Sack vol­ler Ak­ti­en sit­zen, aber to­t­un­glück­lich sein, weil sie mir kei­ne Lie­be und Wert­schät­zung mei­nes ein­ma­li­gen So­seins ge­ben kön­nen.
Ich kann durch­aus als re­li­giö­ser Mensch groß­ar­ti­ge, re­li­giö­se Din­ge tun, aber sie er­zwin­gen Got­tes Lie­be und ga­ran­tie­ren sie nicht, auch kein leid­freie­res und leich­te­res Le­ben.
Viel­leicht braucht man ein­fach auch für die­se Er­kennt­nis und Er­fah­rung ein paar Jah­re mensch­li­chen Le­bens. Aber das ist nicht not­wen­di­ger­wei­se so. Ich ken­ne vie­le jun­ge Men­schen, auch Kin­der, de­ren Weis­heit mich sprach­los macht und mei­ne Weis­heit alt aus­se­hen lässt.
Je­den­falls bin ich froh, dass bei Gott kein Leis­tungs­prin­zip gilt, son­dern nur letzt­lich ein nicht mehr be­gründ­ba­res Ver­trau­en, das Er uns noch ein­mal sel­ber ins Herz le­gen muss und für die Er­laub­nis, ein be­grenz­ter, aber reich be­schenk­ter, Mensch sein zu dür­fen.
Dass uns die­se Er­kennt­nis und Er­fah­rung nicht ver­un­si­chert, son­dern er­freu­en mö­ge, das wün­sche ich uns be­son­ders am heu­ti­gen Laet­a­re-Sonn­tag. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)