(Ez 37, 12b-14; Röm 8, 8–11; Joh 11, 1–45)
Liebe Schwestern und Brüder,
nicht von vielen wird im Neuen Testament vom irdischen Jesus gesagt, dass er sie liebte. In Vers 5 hieß es heute im Johannesevangelium: „Jesus liebte aber Marta, ihre Schwester und Lazarus.“ Jesus pflegte offensichtlich Freundschaften, die etwas Besonderes und ihm selbst auch wichtig waren. Jesus hat nie nur abstrakt die ganze Menschheit geliebt und am Ende keinen. Seine Liebe und Zuwendung galt immer konkreten Menschen. Und damit wollte er deutlich machen, dass Gott genau so liebt. Freilich gibt es genügend Dinge im Leben, die das gehörig in Frage stellen und uns an Gottes Liebe zweifeln lassen.
Die Israeliten in der Lesung aus dem Buch Ezechiel verlieren im Exil alle ihre Hoffnung auf Heimkehr in ihre Heimat. Man kommt sich vor, wie lebendig begraben.
Im Evangelium ist Lazarus tot und begraben. Und alle, die an Gräbern stehen, kennen Trauer und Schmerz. Auch der Glaube befreit uns nicht davon, der Auferstehungsglaube genauso wenig.
Es dürfte klar sein, dass die Lazarusgeschichte eine vorverlegte Ostergeschichte ist. Es geht nicht um den Beweis, dass Jesus der Sohn Gottes ist und so etwas kann. Es geht um die Ermutigung, diesem Jesus, seiner Botschaft und vor allem seinen Taten zu glauben. Nicht erst nach dem Tod ruft er uns zu: „Komm heraus!“ Nein, schon jetzt ruft er uns zu: „Komm heraus!“ Komm heraus aus allem, was dich nicht vertrauen, hoffen und lieben lässt. Komm heraus aus dem Grab deiner Hoffnungslosigkeiten und zerbrochener Träume. Komm heraus aus dem Grab der Negationen, wo alles nur noch schlecht ist und zum Himmel stinkt. Komm heraus aus Lähmungssätzen wie: ich kann ja doch nichts machen. Komm heraus aus dem Sarg des Fatalismus, der ewig darauf wartet, dass „die da oben“ endlich was machen.
Ohne Zweifel, es gibt Zeiten, die wirklich schwer sind, es gibt Zeiten, wo das Glauben, Hoffen und Lieben fast unmöglich scheinen. Aber immer gibt es einen, der trotzdem ruft: komm heraus! Auch, wenn es kaum vorstellbar ist, aber Jesus liebt in Gottes Namen auch uns ganz und gar persönlich. Er will unser Leben vor und nach dem Tod. Es ist die ewige Liebe Gottes, nicht unsere Vorstellungskraft, die uns Leben schenkt, am Anfang, jetzt und in Ewigkeit.
Diese Botschaft des Lebens steckt in jeder Liebe und wird in ihr erfahrbar.
„Manchmal feiern wir mitten im Tag ein Fest der Auferstehung“ (Gotteslob Nr. 472) haben wir zu Anfang unserer Eucharistiefeier gesungen. Lasst uns also mit Gottes Hilfe einander jenes Wort zurufen, das uns immer wieder aus unseren Gräbern ruft: komm heraus! Das verändert nicht gleich die ganze Welt. Aber es ist ein Licht der Liebe, das mit vielen anderen Lichtern, die Welt etwas heller und hoffnungsvoller macht, über den Tod hinaus. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)