(Jes 32, 15–19; Offb 21, 1–5; Joh 14, 1–12)
Liebe Schwestern und Brüder,
eine Wohnung zu haben, bedeutet so viel wie ein Zuhause zu haben, einen Ort des Rückzugs, des Schutzes, der Geborgenheit. Eine fremde Wohnung betreten zu dürfen, ist ein Akt großen Vertrauens, denn in ihr ist viel Intimität verborgen.
Das alles zu verlieren, ist eine Katastrophe, ist eine Entwurzelung, stürzt in Heimatlosigkeit, wie es Vertriebene und Flüchtlinge wohl am besten nachempfinden können.
Aber Wohnung ist noch mehr, als vier Wände zu haben. Man sollte auch in sich zu Hause sein, möglichst ein Zuhause im Herzen anderer haben und für andere selbst ein Zuhause sein. Viele Menschen sind unbehaust und heimatlos, selbst wenn der Wohnraum immer größer wird, wie ich unlängst in einer Nachricht erfahren habe.
Ein großes Thema der heutigen, biblischen Texte ist es, eine Wohnung zu haben, ein Zuhause. Von vornherein ist das vieldeutig gemeint. Ob man nun religiös ist oder nicht, diese Sehnsucht nach Zuhause sein ist ein tiefes, menschliches Bedürfnis. Es erfüllt sich nicht, wenn man tolle, abstrakte Gedanken dazu hat. Es erfüllt sich auch nicht automatisch, was immer man für einen Gott denkt oder fühlt. Fast immer berührt es mich in menschlichen, liebevollen Beziehungen. Aber es erschöpft sich nicht darin. Immer bleibt ein unerfüllter Rest, dessen Deutung viele Erklärungen zulassen. Es muss nicht dringend die Deutung „Gott“ sein, sie kann es aber sein. Wer die restliche Leerstelle Sehnsucht aushält und stehen lassen kann, kann ein großes Stück Heimat finden, ohne die vollendete von unvollendeten Menschen und Dingen zu erwarten.
Die biblischen Texte ermutigen uns heute, daran zu glauben, dass es die Verheißung von Zuhause gibt, die im wahrsten Sinne des Wortes himmlisch ist. Ja, unsere Herzen sind oft verwirrt von der Schnelllebigkeit unserer Zeit, von den Diktaturen des „Muss“ und vieler Zwänge, sind verwirrt von den Krisen und Kriegen, die uns auch zu nahe auf die Pelle rücken, verwirrt von den Sorgen, die wir uns um unsere Liebsten machen, von den Grenzen und Fragen, die das Älterwerden an uns stellen.
Jesus meint, dass wir unser Vertrauen und unsere Liebe zu Gott und ihn immer größer sein lassen als alle Angst und Sorge. Das Vertrauen soll eine Wohnung sein, in der wir Beruhigung, Geborgenheit und Ermutigung finden können und sollen. Aber nicht nur das. Im Zuhause Gottes gibt es, wie wir gehört haben, viele Wohnungen, so viele, wie es menschliche Sehnsucht nach Zuhause gibt. Da wird niemand zu nix gezwungen, auch nicht zur Taufe, um die Verheißung zu einer ewigen Wohnung zu haben.
Das sind auch keine Gemeinschaftsunterkünfte, in denen es keine Individualität und keine Intimität mehr gibt. Mit solchen Zukunftsaussichten können wir jetzt schon versuchen, Wohnungen füreinander zu geben und zu sein, die ein großes Maß an Zuhause und Geborgenheit schenken, die wiederum über sich selbst hinausweisen in jenes Geheimnis, das wir „Gott“ nennen. Das möge vielen Menschen geschenkt sein. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)