5. Sonn­tag der Os­ter­zeit B (28.04.2024)

(Jes 32, 15–19; 1 Joh 3, 18–24; Joh 15, 1–8)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
im Evan­ge­li­um heu­te sagt Je­sus: „Ich bin der Wein­stock, ihr seid die Re­ben“ (V5). Und: „ge­trennt von mir könnt ihr nichts voll­brin­gen“. Wie aber ge­lingt es, wirk­lich aus der Wur­zel, aus dem Wein­stock „Je­sus“ zu le­ben? Das ist ja leich­ter be­haup­tet, als ge­tan! Und im­mer wie­der hält man ja für be­son­ders re­li­gi­ös, wenn ein Mensch ei­ne ge­wis­se stren­ge Re­li­gio­si­tät pflegt. Auch Os­tern und der Glau­be an ein ewi­ges Le­ben sind leich­ter be­haup­tet, als mit wirk­li­chem Ver­trau­en ge­füllt.
Ein Ster­ben­der, der Angst vor dem Ster­ben hat, ist nicht des­we­gen un­gläu­big, nur weil er Angst hat. Ich kann mich nicht er­in­nern, dass Je­sus Angst­frei­heit ver­spro­chen hat, zu­mal er selbst durch die Nacht der Angst hin­durch­ge­hen muss­te. Oft be­haup­tet man ja, dass äl­te­re Men­schen die sog. „Gläu­bi­ge­ren“ sind. Da­bei ist oft das Ge­gen­teil der Fall. Eher sind sie heu­te, die Fra­gen und Zwei­fel ha­ben, als manch‘ Jün­ge­re, die nicht sel­ten Ver­trau­en und Glau­be mit dem Fest­hal­ten an dog­ma­ti­schen Sät­zen und re­li­giö­ser und mo­ra­li­scher Stren­ge ver­wech­seln.
Es ist al­so lie­be­voll, wenn man Zwei­fel und Glau­bens­not ernst nimmt und nicht gleich weg­glau­ben, weg­be­ten oder weg­er­klä­ren will. Ge­nau die­ses Pro­blem scheint nach dem En­thu­si­as­mus je­su­a­ni­scher Be­geis­te­rung am An­fang der Chris­ten­heit auch pas­siert zu sein. Zu vie­le gab es, die „mit Wort und Zun­ge“ be­geis­tert lie­ben konn­ten, aber in der all­täg­li­chen Pra­xis „Tat und Wahr­heit“ ver­mis­sen lie­ßen. Dar­an hat sich auch bis heu­te nicht viel ge­än­dert.
Wenn wir al­so wis­sen wol­len, ob wir am Wein­stock Je­su dran sind oder nicht, ob wir je­ne Früch­te brin­gen, um die es Gott wirk­lich geht, dann soll­ten wir schaun, wie es um un­se­re kon­kre­te Lie­be steht. Be­kennt­nis­se al­lein än­dern erst ein­mal gar nichts. Stren­ge Re­li­gio­si­tät kann nur Lie­be in Tat und Wahr­heit be­deu­ten. Wenn man dann den Mut auf­bringt, die Kluft zwi­schen Re­den und Tun wahr­zu­neh­men, zu spü­ren und zu ak­zep­tie­ren, ja, dass uns un­ser Herz lei­der auch ver­ur­teilt, dann soll­ten wir uns trotz­dem voll Ver­trau­en in Got­tes Ar­me wer­fen und un­se­re Her­zen am Her­zen Got­tes up­da­ten. Ja, The­re­se von Li­sieux und vie­le an­de­re ha­ben Recht, wenn sie sa­gen, dass am En­de vor Gott nur die tat­säch­lich ge­leb­te Lie­be zählt. Aber al­le de­mü­tig ge­wor­de­ne Gläu­bi­ge wer­den wis­sen, wie sehr al­le Lie­be sei­nen Ur­sprung in dem hat, der sich heu­te als „Wein­stock“ be­zeich­net. Und sie wer­den auch wis­sen, dass er in uns bleibt, nicht weil wir ein­fach nur Re­li­gi­ons­zu­ge­hö­ri­ge sind, son­dern weil uns der Geist der Lie­be be­seelt in Tat und Wahr­heit.
In die­sem Geist er­ken­nen wir auch, dass al­le, un­ab­hän­gig von ih­rer Re­li­gi­ons­zu­ge­hö­rig­keit, ih­rer Welt­an­schau­ung oder ih­rer per­sön­li­chen An­sich­ten, Schwes­tern und Brü­der vor Gott sind. „Mis­si­on“ kann nicht be­deu­ten, Mit­glie­der zu ge­win­nen, son­dern sich mit al­len ver­bun­den und eins zu wis­sen, in de­nen sein Geist lebt und in Tat und Wahr­heit all­täg­lich prak­ti­ziert wird.
Mö­ge uns Got­tes Geist da­zu ge­schenkt sein. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)