6. Sonn­tag der Os­ter­zeit (09.05.2021)

(Apg 10, 1–48; 1 Joh 4, 7–10; Joh 15, 9–17)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
die heu­ti­gen drei bi­bli­schen Le­sun­gen sind so vol­ler un­glaub­li­cher Dich­te, dass ich gar nicht weiß, wor­über ich nicht un­be­dingt pre­di­gen muss. Es lohnt sich in je­dem Fall, sich die­se Tex­te im Lau­fe der Wo­che noch me­di­tie­rend zu Ge­mü­te zu füh­ren. Vor al­lem, wenn man ih­nen er­laubt, in die Ge­gen­wart hin­ein­zu­rei­chen und uns zu Kon­se­quen­zen an­zu­re­gen. Dann muss so man­ches Den­ken, Füh­len, Re­den und Han­deln auf den Prüf­stand ge­stellt wer­den. Den Text aus dem 10. Ka­pi­tel der Apos­tel­ge­schich­te muss man un­be­dingt im Gan­zen le­sen, um zu ver­ste­hen, welch‘ un­ge­heu­ren Um­bruch da Gott sel­ber in Gang setzt mit dem heid­ni­schen Haupt­mann Kor­ne­li­us auf der ei­nen und Pe­trus auf der an­de­ren Sei­te. Kor­ne­li­us ist zwar nicht un­re­li­gi­ös, wie wir er­fah­ren, aber er ge­hört nicht zum aus­er­wähl­ten Volk. Was aber macht Men­schen aus­er­wählt? Es ist eben nicht ei­ne be­stimm­te Re­li­gi­on oder Kon­fes­si­on, nicht ei­ne be­stimm­te, re­li­giö­se Pra­xis, son­dern das Be­mü­hen um Lie­be. Kurz und bün­dig heißt es im 1. Jo­han­nes­brief Ka­pi­tel 4, Ver­se 7 und 8: „Je­der, der liebt, stammt von Gott und er­kennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht er­kannt; denn GOTT IST LIEBE!“ Si­cher, die Zahl der re­li­gi­ons­frei­en Men­schen nimmt in un­se­ren Brei­ten im­mer mehr zu. Aber die Lie­be nimmt des­we­gen nicht un­be­dingt ab. Oder will je­mand be­haup­ten, man kön­ne nur mit Got­tes­glau­ben lie­ben? Dann hät­ten die Men­schen im Mit­tel­al­ter und wür­den die Men­schen in über­wie­gend christ­li­chen Ge­bie­ten wie im Pa­ra­dies der Lie­be ge­lebt ha­ben bzw. le­ben. Das war und ist aber lei­der nicht der Fall.
Oft ist uns gar nicht be­wusst, dass Apos­tel­ge­schich­te Ka­pi­tel 10 ei­ne schier un­glaub­li­che Pfingst­ge­schich­te ist. Al­ler­dings er­füllt da der Hei­li­ge Geist nicht nur war­ten­de Apos­tel, (üb­ri­gens auch nicht in der be­kann­ten Pfingst­ge­schich­te in Ka­pi­tel 2, Ver­se 1–11), son­dern Men­schen, die ger­ne über­heb­lich als „gott­los“ be­zeich­net wer­den. Über­le­gen­heits­ge­füh­le sind oh­ne­hin nicht an­ge­bracht, schon gar nicht, wenn man meint, man müss­te re­li­gi­ons­freie Men­schen drin­gend evan­ge­li­sie­ren. Viel­leicht sind sie längst vom Hei­li­gen Geist er­füllt und sol­len eher uns evan­ge­li­sie­ren. Ja, Gott sieht nicht auf die Per­son, nicht auf Amt und Wür­den, nicht auf die Zu­ge­hö­rig­keit zur an­geb­lich wah­ren und ein­zig rich­ti­gen Re­li­gi­on oder Kon­fes­si­on. Nein, je­der Mensch ist sein Kind, vor al­lem dann, wenn er sich um Lie­be be­müht. Der Hei­li­ge Geist schafft Got­tes Kir­che, zu der al­le ge­hö­ren, die dem Hei­li­gen Geist, be­wusst oder un­be­wusst, in ih­rem Le­ben ei­ne Chan­ce ge­ben. Da ist ei­ne An­ord­nung zur Tau­fe nicht mehr nö­tig, denn nicht die Tau­fe, son­dern der Geist ver­bin­det mit Gott. Für gott­gläu­bi­ge und gott­su­chen­de Men­schen aber gilt zu­erst: „Bleibt in mei­ner Lie­be!“ (Joh 15,9) Bleibt in ihr, hal­tet an ihr fest, was im­mer auch ge­schieht und sie im­mer wie­der neu in­fra­ge stellt. Sie, nicht un­se­re Lie­be, ist un­se­re Hoff­nung heu­te und in Ewig­keit. Denn: „Dar­in be­steht die Lie­be: nicht dass wir Gott ge­liebt ha­ben, son­dern dass er uns ge­liebt hat. In die­sem Ver­trau­en kann uns sei­ne Lie­be be­rüh­ren und an­ste­cken. Denn ge­gen al­le Not der Welt, al­len Hass, al­le Angst und Ge­walt, hilft vor al­lem tat­kräf­tig auf al­len Ebe­nen des Le­bens nur ei­nes: „dass ihr ein­an­der liebt!“ (Joh 15, 17) Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)