6. Sonn­tag der Os­ter­zeit (22.05.2022)

(Apg 15, 1–30!; Offb 21, 10–23; Joh 14, 23–29)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
im Evan­ge­li­um ha­ben wir wie­der ein Stück aus den sog. „Ab­schieds­re­den Je­su“ ge­hört. Es dürf­te klar sein, dass das kei­ne Ge­sprächs­mit­schnit­te sind, noch hat­te da je­mand ein wahn­sin­nig gu­tes Ge­dächt­nis. Die­se Re­den sind theo­lo­gi­sche Me­di­ta­tio­nen des Evan­ge­lis­ten und sei­nes Teams, die so­zu­sa­gen vom Geist Got­tes und Je­su in­spi­riert sind. Viel­leicht be­rüh­ren sie nicht un­mit­tel­bar un­ser Herz. Zu fremd er­scheint uns die Ge­dan­ken­welt, zu fremd sind Spra­che und Bil­der. So ist man schnell ver­sucht, den Text bei­sei­te zu le­gen und sich leich­te­rer Kost zu­zu­wen­den. Trotz­dem ent­hält der heu­ti­ge Ab­schnitt be­mer­kens­wer­te Aus­sa­gen.
Je­sus ist an un­se­rer Lie­be ge­le­gen. Sie drückt sich auch dar­in aus, dass wir sein Wort hal­ten, wie es heißt. Was für ein Wort aber ist das? Die­ses Wort kann auch nur Lie­be be­deu­ten, je­ne un­be­ding­te Lie­be, mit der Gott uns liebt. Das wie­der­um er­weckt Got­tes Lie­be, denn nichts an­de­res er­sehnt er als Ant­wort auf die­se Lie­be als un­ser Ver­trau­en, auch Glau­ben ge­nannt.
Dann heißt es: „Wir wer­den zu ihm kom­men und bei ihm Woh­nung neh­men“ (Joh 14, 23). Dies ist ei­ne au­ßer­ge­wöhn­li­che Aus­sa­ge. Gott wohnt al­so nicht zu­erst in fer­nen Him­meln, nicht in be­son­de­ren Got­tes­häu­sern, wird nicht von Pries­tern und Re­li­gi­ons­füh­rern ver­wal­tet, die ihn qua­si per Amt mehr ha­ben als an­de­re. Nein, sein Zu­hau­se ist je­der, der an der Lie­be und an dem Ver­trau­en fest­hält, auch wenn es oft in un­se­rer Welt so un­ver­nünf­tig er­scheint.
Frucht die­ses gott­ge­schenk­ten Be­mü­hens ist ein Frie­de, sein Frie­de, der auch nicht an äu­ße­re Be­din­gun­gen ge­knüpft ist, son­dern ein ver­rück­ter Frie­de ist, der so­gar im Un­frie­den hält. Die­ser Her­zens­frie­de ist ein er­sehn­tes, gött­li­ches Ge­schenk, der frei­lich auch der Aus­gang oder An­fang neu­en und ge­wan­del­ten Le­bens ist.
Die­ses Le­ben ist frei­lich noch nicht der blan­ke Him­mel, auch wenn es im Her­zen himm­lisch ge­wor­den ist. Dar­um will Je­sus uns in al­ler Not, Angst und Müh­sal ei­ne Zu­sa­ge ma­chen, die da lau­tet: „Eu­er Herz be­un­ru­hi­ge sich nicht und ver­za­ge nicht!“ (Joh 14, 27) Das scheint leicht da­her ge­sagt, ist im­mer wie­der schwer zu le­ben. Das weiß Je­sus auch aus ei­ge­ner Er­fah­rung. Aber er hat es nicht auf­ge­ge­ben, an Got­tes Lie­be zu glau­ben, sie heil­sam er­fahr­bar zu ma­chen und dar­um zu wer­ben, ihr zu glau­ben, sich von ihr ent­zün­den zu las­sen und so wan­deln­de und ver­wan­deln­de Got­tes­häu­ser auf zwei Bei­nen zu wer­den in ei­ner Welt, die drin­gend Men­schen der Lie­be, des Ver­trau­ens und des Frie­dens, sei­nes Frie­dens, braucht. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)