6. Sonn­tag im Jah­res­kreis – B (14.02.2021)

(1 Kor 10, 31–11,1; Mk 1, 40–45)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,

das Ta­ges­ge­bet zum heu­ti­gen Sonn­tag lau­tet: „Gott, du liebst dei­ne Ge­schöp­fe, und es ist dei­ne Freu­de, bei den Men­schen zu woh­nen. Gib uns ein neu­es und rei­nes Herz, das be­reit ist, dich auf­zu­neh­men.“
Ir­gend­wie bin ich bei die­sem Ge­bet hän­gen ge­blie­ben. Das Schöns­te, was über un­ser Le­ben seg­nend ge­sagt ist, ist doch, dass uns die un­end­li­che Lie­be Got­tes um­fängt und trägt, ja, dass sie die Grund­kraft al­len Seins ist. Gott liebt nicht nur den Men­schen, son­dern al­le Ge­schöp­fe. Auch dar­um ha­ben sie für uns ei­nen un­schätz­ba­ren Wert. Weil auch die Ge­schöp­fe, ja die gan­ze Schöp­fung, Lieb­lin­ge Got­tes sind, soll­ten wir sie dem­entspre­chend lie­be­voll be­han­deln. Das ist lei­der im Lau­fe der Ge­schich­te im­mer wie­der aus dem Blick ge­ra­ten, auch weil man sich zu ein­sei­tig auf den Men­schen und sein „ewi­ges See­len­heil“ kon­zen­triert hat.
Meis­tens wa­ren es die sog. Mys­ti­ker, de­ren Lie­be zu Gott sich nicht in der Be­wah­rung und Ver­tei­di­gung „ewi­ger Wahr­hei­ten“ er­schöpf­te, son­dern sich zu ei­ner all­um­fas­sen­den Lie­be aus­wei­te­te, die al­le und al­les in die­se Lie­be ein­schloss. Sie strit­ten nicht um rech­te An­sich­ten, son­dern leb­ten ei­ne Lie­be, die ih­re Mit­men­schen und Mit­ge­schöp­fe als Freun­de und Kin­der Got­tes er­kann­ten und wert­schätz­ten. Wer wirk­lich vom Ge­heim­nis der Lie­be er­grif­fen und be­rührt wor­den ist, des­sen Lie­be wird gren­zen­los und Gren­zen über­win­dend. Da liebt man nicht nur Sei­nes­glei­chen, son­dern auch je­ne, die ei­nem in ih­ren Le­bens­an­sich­ten und ‑wei­sen als fremd er­schei­nen. Die­se Art von Lie­be ist im­mer ein un­trüg­li­ches Kenn­zei­chen ech­ter Gott­ver­bun­den­heit, und zwar in al­len Re­li­gio­nen und Welt­an­schau­un­gen. Dar­um sind al­le Mys­ti­ker Freun­de. Und die­se gott­ge­schenk­te Lie­be ist hei­lend und heil­sam, wie die Pra­xis Je­su im­mer wie­der zeigt.
Manch­mal kann man es kaum glau­ben, dass es Gott ei­ne Freu­de sein soll, bei den Men­schen zu woh­nen, wenn man sieht, was Men­schen ein­an­der an­tun kön­nen und wie sie mit we­nig lie­be­vol­lem Ein­füh­lungs­ver­mö­gen die Ge­schöp­fe und die Schöp­fung oft zu­grun­de rich­ten kön­nen. Aber dass Got­tes Lie­be gren­zen­los ist, hat er in Je­sus und schluss­end­lich am Kreuz in letz­ter Kon­se­quenz als echt und un­er­schüt­ter­lich er­wie­sen und be­stä­tigt. Die­se im­mer ganz und gar un­fass­ba­re Lie­be Got­tes, die die Hin­ter­grund­strah­lung des gan­zen Uni­ver­sums ist, ist und bleibt un­se­re tiefs­te Hoff­nung, was im­mer auch ge­schieht. Sie ist und bleibt un­ser tiefs­ter Le­bens­grund, der uns hält und der uns Quel­le der Kraft, des Tros­tes, der Lie­be und Barm­her­zig­keit ist. Dar­um ist es rich­tig und wich­tig, Gott um „ein neu­es und rei­nes Herz“ zu bit­ten, „das be­reit ist, ihn auf­zu­neh­men.“ Wie schwer fällt es un­se­ren doch im­mer wie­der ver­letz­ten und zum Miss­trau­en nei­gen­den Her­zen, Ver­trau­en und Lie­be zu wa­gen! Wie schwer fällt es uns im­mer wie­der, uns so vor­aus­set­zungs­los von Ihm lie­ben zu las­sen und die­se Lie­be an­zu­neh­men, wo wir stän­dig mei­nen, uns die­se erst ver­die­nen zu müs­sen. Wie schnell wer­den un­se­re Her­zen hart, weil wir mei­nen, uns die­se Lie­be ver­dient zu ha­ben.
Wenn Gott uns al­so in sei­ner gro­ßen Lie­be ein neu­es und rei­nes Herz schenkt, dann sind wir be­freit von al­lem Leis­tungs- und Recht­fer­ti­gungs­druck (zu­min­dest Ihm ge­gen­über). Dann wohnt Gott nicht nur bei uns, son­dern in uns und lässt uns mit­lie­ben an sei­ner gro­ßen, al­les um­fas­sen­den, Lie­be. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)