7. Sonn­tag der Os­ter­zeit (16.05.2021)

(Apg 1, 15–26; 1 Joh 4, 11–16; Joh 17, 6a.11b-19)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
es ist schon merk­wür­dig, wie schein­bar will­kür­lich manch­mal hier „Schwes­tern und Brü­der“ und da nur „Brü­der“ über­setzt wird. „Schwes­tern und Brü­der“ über­setzt man ger­ne da, wo es nicht weh­tut, al­so be­son­ders bei der An­re­de in den Apos­tel­brie­fen. In der Le­sung aus der Apos­tel­ge­schich­te heu­te aber gibt es nur ei­nen Kreis von 120 Brü­dern (Apg 1,15+16) und tut so, als wä­ren das al­les Män­ner ge­we­sen. Dem ist na­tür­lich nicht so! Auch hier sind „Schwes­tern und Brü­der“ ge­meint. Und ob­wohl Lu­kas als Evan­ge­list der Barm­her­zig­keit gilt, so hat er und ha­ben eben­so die Her­stel­ler der Lek­tio­na­re of­fen­sicht­lich ein In­ter­es­se dar­an, hier die Frau­en des An­fangs nicht zu er­wäh­nen. Sie aber wa­ren mit Si­cher­heit bei den sog. 120 „Brü­dern“ da­bei, wie auch beim Pfingst­er­eig­nis. Oh­ne Zwei­fel hat Je­sus ei­nen Kreis von 12 Jün­gern be­ru­fen, die er Apos­tel nann­te und die sym­bo­lisch die 12 Stäm­me Is­ra­els dar­stel­len soll­ten. Aber „Apos­tel“ wa­ren nicht nur sie, son­dern noch an­de­re Män­ner und Frau­en, wie z.B. die Apos­to­lin Ju­nia im Rö­mer­brief Ka­pi­tel 16, Vers 7. Das darf sie aber auch erst wie­der seit Kur­zem sein. Frü­her über­setz­te man ein­fach „Apos­tel Ju­ni­as“ und mach­te aus ei­ner Apos­to­lin ei­nen Apos­tel. Pau­lus selbst nann­te sich „Apos­tel“, ob­wohl er nicht zu den Jün­ge­rin­nen und Jün­gern Je­su ge­hör­te, die Je­sus in Ga­li­läa nach­folg­ten.
Die Kri­te­ri­en, die Pe­trus für die Nach­wahl an­stel­le des Apos­tels Ju­das nennt, tref­fen eher al­le­samt auf die Frau­en um die „Apos­to­lin der Apos­tel“ Ma­ria Mag­da­le­na zu und nicht auf die Män­ner, de­nen al­le die schwers­ten Stun­den Je­su am Kreuz feh­len.
War­um Lu­kas die Frau­en gar nicht er­wähnt, ist un­ver­ständ­lich und hat bis heu­te fa­ta­le Fol­gen für die Frau­en in der Kir­che. Mög­li­cher­wei­se bleibt ja das Bit­ten um den Hei­li­gen Geist schein­bar so fol­gen­los, weil er nicht we­hen darf wo und wie er will. Es geht nicht dar­um, an die Stel­le der Män­ner jetzt ein­sei­tig die Frau­en zu set­zen. Es geht dar­um, ein ehr­li­ches Mit­ein­an­der auf Au­gen­hö­he zu­zu­las­sen, das von Wert­schät­zung und Of­fen­heit für die We­ge des Hei­li­gen Geis­tes ge­prägt ist und nicht von ideo­lo­gi­schen Vor­ein­ge­nom­men­hei­ten, die nicht wah­rer wer­den, nur weil sie hun­der­te von Jah­ren alt ge­wor­den sind.
Je­sus be­tet im Evan­ge­li­um nicht nur für Apos­tel, son­dern für al­le Kin­der und Ju­gend­li­chen, Frau­en und Män­ner, die sich auf sei­nen Geist ein­las­sen und mit­ein­an­der zum Sa­kra­ment der Ge­gen­wart Got­tes wer­den kön­nen. Er be­tet dar­um, dass wir eins sind wie Je­sus und sein Va­ter. Ihr Eins­sein aber ist Lie­be, die Viel­falt und Ver­schie­den­heit aus­hält und zu­lässt und als Be­rei­che­rung an­er­kennt, auch sys­te­misch. Mö­ge der Hei­li­ge Geist die­ses Eins­sein för­dern dür­fen und ihm zum Durch­bruch ver­hel­fen, auch wenn so man­ches al­tes Den­ken und Ge­wohn­tes zu Bruch ge­hen wird. Trotz­dem: Komm, Hei­li­ger Geist! Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)