(Apg 1, 15–26; 1 Joh 4, 11–16; Joh 17, 6a.11b-19)
Liebe Schwestern und Brüder,
es ist schon merkwürdig, wie scheinbar willkürlich manchmal hier „Schwestern und Brüder“ und da nur „Brüder“ übersetzt wird. „Schwestern und Brüder“ übersetzt man gerne da, wo es nicht wehtut, also besonders bei der Anrede in den Apostelbriefen. In der Lesung aus der Apostelgeschichte heute aber gibt es nur einen Kreis von 120 Brüdern (Apg 1,15+16) und tut so, als wären das alles Männer gewesen. Dem ist natürlich nicht so! Auch hier sind „Schwestern und Brüder“ gemeint. Und obwohl Lukas als Evangelist der Barmherzigkeit gilt, so hat er und haben ebenso die Hersteller der Lektionare offensichtlich ein Interesse daran, hier die Frauen des Anfangs nicht zu erwähnen. Sie aber waren mit Sicherheit bei den sog. 120 „Brüdern“ dabei, wie auch beim Pfingstereignis. Ohne Zweifel hat Jesus einen Kreis von 12 Jüngern berufen, die er Apostel nannte und die symbolisch die 12 Stämme Israels darstellen sollten. Aber „Apostel“ waren nicht nur sie, sondern noch andere Männer und Frauen, wie z.B. die Apostolin Junia im Römerbrief Kapitel 16, Vers 7. Das darf sie aber auch erst wieder seit Kurzem sein. Früher übersetzte man einfach „Apostel Junias“ und machte aus einer Apostolin einen Apostel. Paulus selbst nannte sich „Apostel“, obwohl er nicht zu den Jüngerinnen und Jüngern Jesu gehörte, die Jesus in Galiläa nachfolgten.
Die Kriterien, die Petrus für die Nachwahl anstelle des Apostels Judas nennt, treffen eher allesamt auf die Frauen um die „Apostolin der Apostel“ Maria Magdalena zu und nicht auf die Männer, denen alle die schwersten Stunden Jesu am Kreuz fehlen.
Warum Lukas die Frauen gar nicht erwähnt, ist unverständlich und hat bis heute fatale Folgen für die Frauen in der Kirche. Möglicherweise bleibt ja das Bitten um den Heiligen Geist scheinbar so folgenlos, weil er nicht wehen darf wo und wie er will. Es geht nicht darum, an die Stelle der Männer jetzt einseitig die Frauen zu setzen. Es geht darum, ein ehrliches Miteinander auf Augenhöhe zuzulassen, das von Wertschätzung und Offenheit für die Wege des Heiligen Geistes geprägt ist und nicht von ideologischen Voreingenommenheiten, die nicht wahrer werden, nur weil sie hunderte von Jahren alt geworden sind.
Jesus betet im Evangelium nicht nur für Apostel, sondern für alle Kinder und Jugendlichen, Frauen und Männer, die sich auf seinen Geist einlassen und miteinander zum Sakrament der Gegenwart Gottes werden können. Er betet darum, dass wir eins sind wie Jesus und sein Vater. Ihr Einssein aber ist Liebe, die Vielfalt und Verschiedenheit aushält und zulässt und als Bereicherung anerkennt, auch systemisch. Möge der Heilige Geist dieses Einssein fördern dürfen und ihm zum Durchbruch verhelfen, auch wenn so manches altes Denken und Gewohntes zu Bruch gehen wird. Trotzdem: Komm, Heiliger Geist! Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)