(Apg 1, 12–14; 1 Petr 4, 13–16; Joh 17, 1–11a)
Liebe Schwestern und Brüder,
das Johannesevangelium bringt vor der Passion Jesu die sog. „Abschiedsreden“, zu denen jenes Gebet gehört, das wir eben im Evangelium vernommen haben. Es dürfte klar sein, dass diese langen Reden Jesu Meditationen des Evangelisten Johannes sind, die dieser seinem Jesus in den Mund legt. Denn es ist kaum anzunehmen, dass Jesus einen Schreiber hatte, der jedes Wort Jesu aufgeschrieben und festgehalten hat.
Eigentlich sind diese Texte für ein sonntägliches Evangelium ungeeignet. Zu vollgeladen sind sie mit der Theologie des Johannes, die nicht immer einfach zu verstehen ist. Und sie muss in Ruhe bedacht und meditiert werden, so wie es vielleicht auch vorgesehen war.
Der Evangelist Johannes versucht mit diesem Gebet Einblick in die Innenseite der tiefen und intimen Gottverbundenheit Jesu zu geben. Sein Leben, seine Worte und Taten waren sozusagen eine Offenbarung nicht nur seines, sondern vor allem auch eine Offenlegung des Herzens Gottes, seines Abba’s. Ich bin mir nicht so sicher, ob die „Seinen“ Jesus wirklich erkannt und verstanden haben, wie Jesus da betet. Denn Jesu Geist war so anders in seinem Tun und Reden, dass ja die Jünger immer wieder als schwer von Begriff geschildert werden. Komischerweise haben ja ausgerechnet jene Jesus am besten verstanden, die nicht in institutionellem Denken gefangen waren, also die sog. „Zöllner und Sünder“, die Frauen, Kranke, Exkommunizierte. Sie hatten ja auch keine „reine Lehre“ mehr zu verteidigen, steckten nicht mehr in dogmatischen und moralischen Korsetts. Sie waren also ziemlich offen, auf-gebrochen, für das, was ihre verletzten Herzen am dringendsten brauchten, nämlich eine Liebe, die grenzenlos und bedingungslos ist. Klar, schon höre ich die Frommen aller Zeiten wieder über einen harmlosen Kuschelgott schimpfen, der nichts kostet und nichts zumutet. Dabei wollte er immer schon und von Anfang an den Anspruch und die Mühsal der Liebe, der man herrlich in bloße Rechtgläubigkeit entfliehen kann. Das nämlich ist bei Johannes „Welt“. Nicht eine „gottlose“ Gegenwelt, (die es gar nicht geben kann), zu den Gläubigen, sondern eine Welt, in der die Liebe nur müde belächelt wird und eigentlich ein kümmerliches Dasein fristet.
Dieses Problem aber befindet sich mitten unter denen, die sich für besonders gläubig und rechtgläubig halten. Gott aber ist Liebe, wie es im 1. Johannesbrief heißt. Das ist sein Name von alters her bis in Ewigkeit.
Darum beten wir um den Heiligen Geist, damit wir sehen, wo und wie er wirkt, gerade auch außerhalb von Kirchen und Religionen.
Weil die Liebe ewig ist, kann man auch sagen: Das aber ist das ewige Leben: dass sie den Gott der Liebe vertrauen und dem, der dies am besten verstanden hat, Jesus Christus.
Wir bitten um den Heiligen Geist, damit man uns nicht an wortreichen Bekenntnissen, sondern am liebevollen Dasein erkennt und darin das Geheimnis Gottes, das sich so nach Liebe sehnt. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)