(Jes 50, 4–7; Phil 2, 6–11; Mk 11, 1–10)
Liebe Schwestern und Brüder,
„wir folgen dem Herrn auf seinem Leidensweg und nehmen teil an seinem Kreuz, damit wir auch Anteil erhalten an seiner Auferstehung und seinem Leben“, so oder ähnlich soll der Priester laut Messbuch die Gemeinde am Palmsonntag begrüßen. Ja, wir werden das Leiden und Sterben Jesu betrachten, an seine letzten, schmerzlichen Lebensstunden denken. Aber ich glaube, ich will ihm nicht auf seinem Leidensweg folgen, noch mag ich mir einreden, ich könnte an seinem Kreuz teilnehmen. Ich glaube, ich kann es nicht, schon aus Respekt vor Jesus nicht in seinem ganz persönlichen Leid. Aber auch deswegen nicht, weil mir nicht wirklich klar ist, was das im Letzten bedeutet. Ich kann und mag mich in die Not eines Menschen einfühlen wollen. Aber wie er sie trägt und erlebt, davon weiß ich nichts. Vergessen wir auch in der Karwoche nicht, worum es Jesus vor allem zu Lebzeiten immer wieder ging: Not zu lindern oder gar wegzunehmen, freudvolles Leben und Lieben zu ermöglichen und dies zum Sakrament der liebevollen Nähe Gottes zu erklären. In diesem Geist war Jesus unterwegs, in diesem Geist zog er in Jerusalem ein, für und in diesem Geist starb er am Kreuz. Es ist die große Frage, ob wir wirklich bereit wären, aus diesem Grunde Jesus bis in die letzte, schmerzvolle Konsequenz zu folgen. Ich scheue mich, für mich selbst solch große Worte in den Mund zu nehmen. Es wird schon schwer genug sein, wirklich dem Geiste Jesu zu folgen auch und gerade in jenen Zeiten, in denen wir momentan leben müssen.
Wenn ich mir also eine „Brille“ aufsetzen möchte, um die folgenden Tage zu betrachten, dann ist es vor allem eine Brille der Dankbarkeit für jenen Geist, den Jesus verkündigt, heilsam gelebt und in dem er auch gestorben ist. Auf diesen Geist Jesu will ich mich einlassen, auch wenn es manchmal schwer ist.
Der Esel sei mir heute Sakrament für Gottes zarte und gewaltfreie Liebe in Jesus. Die grünen Zweige sind meine Hoffnung auf Jesus und darauf, dass Gott uns schenken möge, aus dem Geist Jesu zu leben, uns ihm immer wieder neu zu öffnen.
„Gott, der Herr, wird mir helfen“, hieß es heute bei Jesaja im sog. „3. Gottesknechtlied“ (Jes 50, 7). Möge er auch uns jeden Morgen das Ohr und Herz öffnen, damit wir aufmunternde Worte finden, um Ermüdete zu stärken (V4) und vor allem auf das zu hören, was Jesus mit seinem Leben, Sterben und Auferstehen angestoßen hat: dass Gottes Geist ein heilsamer, lebendig machender und liebevoller ist, wo und wie immer der uns begegnet. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)