(Ez 34; 1 Joh 3, 1–2; Joh 10, 11–18)
Liebe Schwestern und Brüder,
„Geliebte“, so heißt es heute im 1. Johannesbrief. Genauso sind auch wir angesprochen: „Geliebte“! In diesem Wort ist eigentlich alles ausgesprochen, was unser tiefster Glaube ist. Es ist das kürzeste Glaubensbekenntnis, das ich kenne: „Geliebte“! Der Gute-Hirte-Sonntag sagt uns zuallererst, dass wir Geliebte sind. Aber nicht nur das. Wir stehen nicht als Schafe vor Gott, sozusagen von unten nach oben blickend zum großen, erhabenen Gott. Nein, als „Kinder“ schauen wir auf Gott, wie auf einen „guten Vater, eine liebende Mutter“, wie es in der Präfation des 4. Hochgebetes für Messen für besondere Anliegen heißt. Aber eben nicht als sog. „unmündige“ Kinder, denen Ausgewachsene gerne ihre eigenständige Würde absprechen, nur weil sie noch ausdrücklich bedürftiger sind. „Kind“ bleibt man ja im Bezug auf seine Eltern ein Leben lang. Leider werden manche auch ein Leben lang wie unmündige Kinder behandelt bzw. verhalten sich Kinder doch recht unmündig bzw. wenig reifevoll.
Aber „Kind Gottes“ zu sein, bedeutet eine enge, vertrauensvolle Beziehung mit Gott, wie sie nur auf Augenhöhe möglich ist. Wir dürfen uns wirklich „Töchter und Söhne Gottes“ nennen. Wir sind keine dummen Schafe, denen Hirten erst sagen müssen, wo es lang geht. Wir haben eine Würde, die tiefer nicht beschrieben werden kann als mit dem Begriff der „Gotteskindschaft“. Und das gilt nicht nur für Getaufte, sondern für alle Menschen und Geschöpfe, die sich alle danach sehnen, Geliebte zu sein. Diese Grundeinstellung sollte alle Beziehungsebenen prägen und auch Systeme bzw. Strukturen verändern, vor allem und ausdrücklich auch kirchliche.
Natürlich leben wir noch nicht im Himmel. Auf Erden erleben wir die Gotteskindschaft noch gebrochen, unfertig, vollendungsbedürftig, wie eigentlich fast alles im Leben, auch den Osterglauben. Darum heißt es ja: „Doch ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden.“ (1 Joh 3, 2) Diese Spannung müssen wir aushalten, dieses „Noch nicht“, das wir oft so schwer annehmen und akzeptieren können. Ich bin gespannt, was es heißt, „ihm ähnlich zu sein“ bzw. „ihn zu sehen, wie er ist.“ Da gibt es dann aber kein „Noch nicht“ mehr. Da muss ungebrochene Beziehung sein, erfülltes und vollendetes Leben, mein und unser versöhntes Leben, mit all dem, was unser irdisches Leben so ausmachte. Vielleicht kann ja diese Hoffnung österlich unser jetziges Leben prägen, ihm ein Stück Himmel ins Herz schreiben mit dem Wort „du Geliebte, du Geliebter“, trotz und in allem. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)