(Apg 10, 1–48; 1 Joh 4, 7–10; Joh 15, 9–17)
Liebe Schwestern und Brüder,
die heutigen drei biblischen Lesungen sind so voller unglaublicher Dichte, dass ich gar nicht weiß, worüber ich nicht unbedingt predigen muss. Es lohnt sich in jedem Fall, sich diese Texte im Laufe der Woche noch meditierend zu Gemüte zu führen. Vor allem, wenn man ihnen erlaubt, in die Gegenwart hineinzureichen und uns zu Konsequenzen anzuregen. Dann muss so manches Denken, Fühlen, Reden und Handeln auf den Prüfstand gestellt werden. Den Text aus dem 10. Kapitel der Apostelgeschichte muss man unbedingt im Ganzen lesen, um zu verstehen, welch‘ ungeheuren Umbruch da Gott selber in Gang setzt mit dem heidnischen Hauptmann Kornelius auf der einen und Petrus auf der anderen Seite. Kornelius ist zwar nicht unreligiös, wie wir erfahren, aber er gehört nicht zum auserwählten Volk. Was aber macht Menschen auserwählt? Es ist eben nicht eine bestimmte Religion oder Konfession, nicht eine bestimmte, religiöse Praxis, sondern das Bemühen um Liebe. Kurz und bündig heißt es im 1. Johannesbrief Kapitel 4, Verse 7 und 8: „Jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott. Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn GOTT IST LIEBE!“ Sicher, die Zahl der religionsfreien Menschen nimmt in unseren Breiten immer mehr zu. Aber die Liebe nimmt deswegen nicht unbedingt ab. Oder will jemand behaupten, man könne nur mit Gottesglauben lieben? Dann hätten die Menschen im Mittelalter und würden die Menschen in überwiegend christlichen Gebieten wie im Paradies der Liebe gelebt haben bzw. leben. Das war und ist aber leider nicht der Fall.
Oft ist uns gar nicht bewusst, dass Apostelgeschichte Kapitel 10 eine schier unglaubliche Pfingstgeschichte ist. Allerdings erfüllt da der Heilige Geist nicht nur wartende Apostel, (übrigens auch nicht in der bekannten Pfingstgeschichte in Kapitel 2, Verse 1–11), sondern Menschen, die gerne überheblich als „gottlos“ bezeichnet werden. Überlegenheitsgefühle sind ohnehin nicht angebracht, schon gar nicht, wenn man meint, man müsste religionsfreie Menschen dringend evangelisieren. Vielleicht sind sie längst vom Heiligen Geist erfüllt und sollen eher uns evangelisieren. Ja, Gott sieht nicht auf die Person, nicht auf Amt und Würden, nicht auf die Zugehörigkeit zur angeblich wahren und einzig richtigen Religion oder Konfession. Nein, jeder Mensch ist sein Kind, vor allem dann, wenn er sich um Liebe bemüht. Der Heilige Geist schafft Gottes Kirche, zu der alle gehören, die dem Heiligen Geist, bewusst oder unbewusst, in ihrem Leben eine Chance geben. Da ist eine Anordnung zur Taufe nicht mehr nötig, denn nicht die Taufe, sondern der Geist verbindet mit Gott. Für gottgläubige und gottsuchende Menschen aber gilt zuerst: „Bleibt in meiner Liebe!“ (Joh 15,9) Bleibt in ihr, haltet an ihr fest, was immer auch geschieht und sie immer wieder neu infrage stellt. Sie, nicht unsere Liebe, ist unsere Hoffnung heute und in Ewigkeit. Denn: „Darin besteht die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat. In diesem Vertrauen kann uns seine Liebe berühren und anstecken. Denn gegen alle Not der Welt, allen Hass, alle Angst und Gewalt, hilft vor allem tatkräftig auf allen Ebenen des Lebens nur eines: „dass ihr einander liebt!“ (Joh 15, 17) Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)