(Apg 2, 1–11; 1 Kor 12, 3b‑7.12–13; Joh 20, 19–23)
Liebe Schwestern und Brüder,
in der Apostelgeschichte hieß es heute: „alle waren zusammen am selben Ort“ (V1) und: „alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt“ (V4). In diesem „Alle“ sind nicht nur die 11 Apostel gemeint, die mit dem Empfang des Heiligen Geistes jetzt etwa anderen etwas voraus hätten. Nein, in diesem „Alle“ sind alle versammelt, die sich im sog. „Obergemach“ versammelt hatten, um gemeinsam zu beten: die namentlich genannten 11 Apostel, „zusammen mit den Frauen und Maria, und seinen Brüdern” (Apg 1, 13–14). Wenn man so will, ist das der Kern der Urgemeinde, die am Pfingsttag von der Herabkunft des Heiligen Geistes mehr oder weniger überrascht wird. Vielleicht sollten wir uns alle in dieses „Alle“ mit einfügen, denn die biblischen Geschichten wollen ja nicht nur Erinnerung, sondern vor allem Gegenwart und Zukunft sein. „Alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt“ (V4) und eben nicht nur einige wenige Auserwählte. Alle zusammen sind jene „Weltkirche“, die oft beschworen wird, wenn es um konkrete, dringend notwendige Schritte in Ortskirchen geht, sie aber abwiegelt und sich in Angst verschließt (Joh 20, 19). In gewisser Weise aber ist das ein ganz menschliches Problem, das uns alle betrifft. Denn wer hätte nicht Angst vor Veränderung, Angst, liebgewordene und vertraute Gewohnheiten zu lassen, Angst vor scheinbar nicht greifbaren und kalkulierbaren Risiken und Nebenwirkungen des Lebens. Wie oft verschließt man dann selber die Türen des Herzens und des Verstandes und schlittert sehenden Auges in ein noch größeres Unglück.
Pfingsten ermutigt uns Gott selber, an lebensförderliche Veränderung und Befreiung zu glauben, durch die unverhofft geschenkte „Kraft von oben“. Gott ermutigt uns, von der Angst und Verschlossenheit zu lassen, um Umkehr und neue Wege zu wagen, die mehr Solidarität, mehr Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung bedeuten. „Fassungslos vor Staunen“ (Apg 2, 7) machen unsere Predigten Fremde schon lange nicht mehr. Zu oft und zu sehr sprechen sie nicht mehr den Menschen zu Herzen. Aber vielleicht geht es nicht zuerst um Predigten, sondern um tatkräftige Liebe, die immer konkret werden will für Menschen, für Geschöpfe, für die ganze Schöpfung. Es gibt schon eine Sprache des Herzens, die alle Menschen und Geschöpfe verstehen. Möge uns das Pfingstfest alle ermutigen, an Gottes Geist und verändernde Kraft zu glauben. Sie will auch uns heute öffnen für neue Wege und will uns bewegen, Wege der Liebe zu gehen in gemeinsamer Verantwortung für unsere eine Welt, die Gottes Eigentum und Schöpfung ist. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)
Lichtritus am Pfingstsonntag
Einführung
Mit dem heutigen Tag endet die Osterzeit. Am Feuer der Osterkerze, die wir feierlich in der Osternacht am Osterfeuer entzündet haben, wollen wir um sieben Gaben des Heiligen Geistes bitten. Für jede Gabe entzünden wir eine Kerze (oder Teelicht) vom Feuer der Osterkerze.
Mögen diese sieben Gaben des Heiligen Geistes in uns und in unserem Leben leuchten. Mögen sie uns verwandeln in Menschen, die sich stets vom Geiste Gottes leiten und entzünden lassen.
Die erste Kerze steht für die Gabe des Glaubens, eines Vertrauens, das immer stärker sei als alle Angst.
Die zweite Kerze steht für die Gabe der Hoffnung, damit jene biblische Hoffnung in uns lebendig sei, die wider alle Hoffnung hofft.
Die dritte Kerze steht für die Gabe der Liebe, die um ihrer selbst willen und ohne warum? liebt und Gottes Gegenwart am deutlichsten zum Leuchten bringt.
Die vierte Kerze steht für die Gabe der Dankbarkeit, weil sie fast alles im Leben als Geschenk wahrnimmt.
Die fünfte Kerze steht für die Gabe der Demut, damit wir die Freiheit haben, ganz Mensch zu sein und zu werden.
Die sechste Kerze steht für die Gabe der Achtsamkeit, damit wir erkennen, wie sehr sich alle Geschöpfe nach liebender Umarmung sehnen, uns selbst eingeschlossen.
Die siebente Kerze steht für die Gabe der Gottsuche, damit wir das heilige Geheimnis Gottes in Wort und Tat heilighalten und es nicht mit unseren Gedanken und Gefühlen verwechseln.
Um diese Gaben bitten wir dich heute im Vertrauen auf das Versprechen, das uns unser Herr und Bruder Jesus Christus gegeben hat. Amen.
(P. Thomas Röhr OCD, Karmel Birkenwerder, St. Teresa, 30.05. 2017)