14. Sonn­tag im Jah­res­kreis (04.07.2021)

(Ez 1, 28c‑2,5; 2 Kor 12, 7–10; Mk 6, 1b‑6)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
wenn Gott Be­wer­bungs­ge­sprä­che füh­ren wür­de, dann wei­chen die kom­plett von dem ab, was wir ge­wöhn­lich da er­war­ten. Ja, es könn­te so­gar sein, dass wir je­man­den eher ei­nen gu­ten Psy­cho­lo­gen emp­feh­len wür­den, weil er, wie der hl. Pau­lus, nicht auf sei­ne Stär­ken, son­dern auf sei­ne Schwä­chen setzt. Gott führt al­so sehr merk­wür­di­ge Be­wer­bungs­ge­sprä­che, zu de­nen er Leu­te ein­lädt, die sel­ber nicht auf die Idee kom­men wür­den, sich bei ihm zu mel­den und zu be­wer­ben. Das zieht sich fast bei al­len Be­ru­fungs­ge­schich­ten in der Bi­bel wie ein ro­ter Fa­den durch. Hin­zu kommt noch, dass das so­zia­le Um­feld der Be­ru­fe­nen auch so sei­ne Zwei­fel hat, was die Eig­nung be­trifft. Sehr deut­lich wird das heu­te auch bei Je­sus im Evan­ge­li­um. Man spürt zwar, dass da ei­ner sehr kom­pe­tent spricht und han­delt, aber dem Hand­wer­ker­sohn traut man das ei­gent­lich nicht zu. Er hat ja nicht ein­mal stu­diert. Und au­ßer­dem scheint man bes­ser als Gott zu wis­sen, wen man für ge­eig­net hält und wen nicht. In der Tat sind bei die­sen Maß­stä­ben, die Men­schen an­le­gen, die Schwä­chen ei­nes sol­chen Be­ru­fe­nen ein Pro­blem, oft für den Be­ru­fe­nen sel­ber auch. Wie man bei Eze­chi­el sieht, kommt man bei Gott mit blo­ßer Un­ter­wür­fig­keit nicht weit, im Ge­gen­teil. Gott stellt Men­schen im­mer auf sei­ne Fü­ße, um mit ihm auf Au­gen­hö­he und in Wür­de zu spre­chen.
Der klu­ge und wohl ers­te Theo­lo­ge Pau­lus hat­te mit sich ein Pro­blem, das wir nicht ken­nen. Er woll­te die­se Schwä­che los­wer­den. Aber Gott er­laub­te es nicht mit der Be­mer­kung: „Mei­ne Gna­de ge­nügt dir; denn die Kraft wird in der Schwach­heit voll­endet“ (2 Kor 12,9). Was für ei­ne Ant­wort! Die er­leb­te Schwach­heit ver­hin­dert ver­mut­lich die Ver­su­chung zum Hoch­mut und zur Über­heb­lich­keit und macht Platz für das, was Gott wir­ken möch­te. Dar­auf­hin macht Pau­lus so­zu­sa­gen „den Bock zum Gärt­ner“ und will sich sei­ner Schwach­heit, sei­ner Ängs­te und Ohn­mäch­te rüh­men, al­so all des­sen, wo­vor wir ge­wöhn­lich weg­lau­fen und was wir so fürch­ten, wie „der Teu­fel das Weih­was­ser“. Pau­lus nimmt al­so sei­ne Grenz­erfah­run­gen an und baut nicht auf sei­ne, son­dern auf gött­li­che Kräf­te.
Be­ru­fung hin oder her: was könn­te uns das al­les sa­gen? Viel­leicht dies: be­jaht mit Got­tes Hil­fe eu­er Mensch­sein. Lebt aus der gött­li­chen und eu­rer Er­laub­nis, un­voll­kom­men und nicht per­fek­te Men­schen zu sein. Das ist doch ei­ne Sen­dung, die uns mensch­li­cher und viel­leicht auch ent­spann­ter macht, aber nicht nur uns, son­dern auch die, mit de­nen wir le­ben. Wie sag­te mal je­mand: „Mach’s wie Gott, wer­de Mensch!“
Das brau­chen wir im­mer, ein Le­ben lang. Das braucht die Kir­che, die Ge­sell­schaft, in der wir le­ben, das brau­chen un­se­re Mit­ge­schöp­fe, das braucht un­se­re Welt. Und da­zu be­ruft Gott ei­nen je­den von uns. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)