(Jos 24, 1–2a.15–17.18b; Eph 5, 21–32; Joh 6, 60–69)
Liebe Schwestern und Brüder,
in den letzten Monaten haben viele Christen ihrer Kirche den Rücken zugekehrt. Gründe dafür gab und gibt es natürlich zur Genüge. Die Lesung aus dem Epheserbrief wird so manche Frau geärgert haben. Denn dieser Text riecht modrig und scheint aus längst vergangenen Zeiten zu sein. Kein Wunder, wenn die Frage Jesu aus dem Evangelium, „wollt auch ihr weggehen?“, so weit weg für viele auch nicht ist. Und dennoch: bei allem Ärger über vielleicht männlichen Chauvinismus in der Kirche und oft sehr einseitiger Interpretationen von Schriftstellen, ist die Frage Jesu doch sehr ernst gemeint. Denn sie bezieht sich ja auf ihn und die Beziehung, die wir zu ihm haben. Sie ist beinahe jener Frage ähnlich, die Josua in der ersten Lesung den Israeliten stellt: „Entscheidet euch heute, wem ihr dienen wollt!“ (Jos 24,13). Anders gesagt, könnte man auch sagen: „Entscheidet euch, was Fundament eures Lebens und eures Glaubens sein soll!“ In den Israeliten werden wir beispielhaft daran erinnert, dass Glaube keine Gefangenschaft, sondern Befreiung sein soll. Gott ist ein Gott der Befreiung, einer wirklichen Freiheit, die uns hilft, uns nicht von Götzen versklaven und manipulieren zu lassen. Die uns hilft, ehrlich zu bleiben und nicht die Augen vor all dem zu verschließen, was „Realität“ genannt wird, die uns ohnehin früher oder später einholen wird, wie wir das gerade drastisch in Afghanistan und anderswo erlebt haben.
Jesus sehnt sich danach, dass wir trotz und in allem nicht von ihm und seiner Botschaft weggehen. Wollte er doch auch, dass wir Gottes Liebe und Nähe glauben und eine Beziehung zu ihm zulassen, die nicht von Angst, sondern von Vertrauen geprägt ist, die nicht auf Gesetz und Leistungsfrömmigkeit, sondern auf Liebe und Barmherzigkeit setzt. Und genau das nämlich war und ist die Intention des Epheserbriefes heute. Das Wort „unterordnen“ ist ein schlechtes Wort. Es meint aber, dass wir aus Beziehungen keine Machtspielchen machen, noch jene Frage, wer angeblich in Gottes Namen „den Hut aufhat“. „Unterordnen“ heißt, herunterkommen von allen Rössern von Überlegenheitsgefühlen (Rassismus), um auf Augenhöhe und in wertschätzender Liebe miteinander unterwegs zu sein. Da hat der Epheserbrief für antike Verhältnisse tatsächlich ganz neue Maßstäbe gesetzt. Denn schließlich gilt das Gebot der Liebe Jesu nicht nur abstrakt, sondern in allen Bereichen des Lebens; selbstverständlich nicht nur für Ehe und Partnerschaften, sondern auch für Beziehungen in der Kirche und für deren Amtspersonen. Für all diese Liebesformen gilt als Vorbild das tiefe Geheimnis, wie Christus die Kirche, also konkrete Menschen, liebt.
Dieses Vorbild werden, brauchen und können wir nicht erreichen, aber es kann uns Ansporn sein für jeden Versuch zu lieben, auch wenn manche Versuche nicht gelingen mögen. Wie sagte Jesus heute noch im Evangelium? „Niemand kann zu mir kommen, wenn es ihm nicht vom Vater gegeben ist!“ (Joh 6, 65) Das gilt eigentlich für alles und sollte uns immer wieder neu mit demütiger Dankbarkeit erfüllen, wenn wir ein wenig mehr vertrauen, hoffen und lieben dürfen. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)