(Sir 24, 1–2.8–12; Eph 1, 3–6.15–18; Joh 1, 1–18)
Liebe Schwestern und Brüder,
kann sein, dass manche von Ihnen bei den ersten Worten des Evangeliums gleich abgeschaltet haben. Sie sind zwar schöne und hohe Theologie, aber zu abstrakt, zu wenig weihnachtlich und fern unserer Denkweisen von heute. In der Tat stecken in diesem Text tiefe Wahrheiten und Einsichten. Vermutlich muss man sie immer wieder meditieren, um Nutzen daraus zu ziehen. Vielleicht war es ja auch so gedacht. Aber viel Zeit zum Meditieren bleibt halt im Alltag nicht. Und abends fallen einem oft dann vor Müdigkeit die Augen zu. Ich bin überzeugt davon, dass der Menschgewordene viel Verständnis dafür hat. Ich bin aber auch überzeugt davon, dass jeder Mensch Minuten der Einkehr braucht, um sich einzusammeln und sich selbst nicht zu verlieren. Vielleicht ist das ja die Weisheit, die von Gott her in unseren Herzen und in unserem Leben Wurzeln schlagen soll. Aber leicht haben es wohl die Weisheit und Gott selber nicht, im Leben der Menschen Wurzeln zu schlagen, zumindest legt dies das Johannesevangelium nahe. Da heißt es dann…“die Finsternis hat das Licht nicht erkannt“,…“die Welt erkannte ihn nicht“, …die Seinen nahmen ihn nicht auf“. Letzteres ist auch der Kirche von heute gesagt, damit sie sich nicht der sog. „Welt“ nur überheblich, hochnäsig und moralisierend gegenüberstellt. Alle! Menschen sind Gottes Kinder und werden dies nicht etwa erst durch die Taufe. „Aus Gott geboren“ ist, wer ihn aufnimmt, indem er dem Geist der Liebe immer wieder neu Raum gibt. „Kind Gottes“ zu werden, ist wirklich eine Macht. Denn es bedeutet, frei zu werden und frei zu bleiben und weniger manipulierbar. Es gibt Kraft, seiner Berufung zu folgen, seinen eigenen Weg zu gehen, auch wenn das ein Bruch mit alten Wegen bedeuten kann. Dafür stehen heute am Afrikatag drei Pionierinnen aus Ghana, dem Kongo und Niger. Das Wort wurde in ihrem Leben Fleisch, es bekam ihre Hände, Füße, ihr Gesicht und auch ihr Herz, um Menschen in ihrer Not beizustehen und ihnen ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen. Auch das hat Gott uns Weihnachten vorgemacht: er hat uns keine wortreiche Theologie eingeredet, sondern ganz praktisch vorgemacht, wie man einfach Mensch wird, wie man ohne viel Aufhebens einfach da ist und Liebe verschenkt und Liebe weckt. Weihnachten geht überall da weiter, wo man Menschsein teilt, Menschsein zulässt und ermöglicht. Da muss man nicht erst noch „Gott“ drüberschreiben, weil Gott einfach schon drinsteckt, so unscheinbar und fast übersehen wie damals in Bethlehem. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)