(Jer 1, 5–9.17–19; 1Kor, 12, 31–13,13; Lk 4, 21–30)
Liebe Schwestern und Brüder,
zu Beginn dieser Eucharistiefeier habe ich auf das Thema des heutigen „Welt-Lepra-Tages“ hingewiesen, das da lautet: „Mutmacherinnen, Frauen in Pakistan“. Es ist toll, was Frauen in Pakistan im Kampf gegen Lepra und Tuberkulose leisten, aber auch, wie sie andere Frauen ermutigen, ein selbstbewusstes, eigenständiges Leben führen zu können. Das ist Liebe konkret, die erst alle Religion, alle Frömmigkeit, allen Glauben gottgemäß sein lässt. Ohne die Liebe ist alles nichts, sagt uns heute der hl. Paulus in der 2. Lesung. Wie oft wird dieser Text, der auch das „Hohelied der Liebe“ genannt wird, bei Hochzeiten gelesen. Dass ohne Liebe alles andere keinen Wert hat, da gehen zumindest theoretisch noch viele mit. Und doch ist sie in der Alltäglichkeit des Lebens anspruchsvoller und gottvoller als jede noch so großartige, in die Augen fallende, religiöse Leistung. Das wollte Jesus in der Synagoge von Nazaret im Evangelium auch deutlich machen, als er die Witwe von Sarepta und den Syrer Naaman als Vorbilder hinstellte und den selbstgefälligen Zuhörern in der Synagoge von Nazaret nicht erlaubte, sich etwas auf ihre bloße Leistungsfrömmigkeit und dem Gefühl der Auserwähltheit einzubilden. Jesus war Ermutiger für die, die allen Mut verloren hatten, zumal durch jene, die sich immer wieder für etwas Besseres als andere halten. Aber manchmal muss man auch ent-täuschen, um auf Fehlentwicklungen hinzuweisen und wieder die Haltung der Liebe zum Maßstab gemeinsamen Christseins zu machen und nicht eine abstrakte Kirche, nicht ein fragwürdiges und überholtes Amtsverständnis, nicht sog. „ewige Wahrheiten“, es sei denn die ewige Wahrheit, dass Gott die Liebe ist und dass die Liebe darum das wichtigste Zeichen von Gottesnähe und Gottverbundenheit ist. Solche Propheten, die nicht nur nach dem allgemeinen Munde reden, sondern auch mal Klartext aus Liebe sprechen, auch sie brauchen dann selber Mutmacher, was manchmal nur noch der liebe Gott selber ist. Gott beruft immer wieder Frauen und Männer, die sich eher mit Händen und Füßen dagegen wehren, weil sie wissen, was das Aussprechen unangenehmer Wahrheiten bedeutet. Auf der anderen Seite aber sind sie genau Mutmacher und Mutmacherinnen für jene, die spüren, wie sehr es auf die alltäglich gelebte Liebe ankommt. Wir alle brauchen diese Gewissheit eines letzten Angenommenseins, wir alle brauchen das Fundament einer wohlwollenden Grundannahme. Das hat Jesus bis zur letzten Konsequenz gelebt und verkündet. Niemand muss wie er gleich deswegen gekreuzigt werden. Aber wer sich immer wieder neu für die Liebe entscheidet, der wird sich manchmal auch wie gekreuzigt fühlen. Das „Hohelied der Liebe“ des hl. Paulus ist wohl vor allem ein Lied auf die Liebe Gottes, die das Fundament unseres Lebens sein soll. Sie soll uns ermutigen, mit jener Kraft der Liebe zu Mutmachern und Mutmacherinnen des Lebens und der Liebe zu werden, wie es uns möglich und von Gott her geschenkt ist.
Danken wir Gott für seine Liebe. Danken wir all jenen, die uns mit ihrer Liebe Gottes Liebe zu Erfahrung werden lassen. Und danken wir für die Liebe, die wir selber weiterschenken dürfen. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)