(Gen 15,5–12.17.18; Phil 3,20–4,1; Lk 9,28b-36)
Liebe Schwestern und Brüder,
Abraham gilt als „Vater des Glaubens“ für Juden, Christen und Muslime. Bei allen Unterschieden in Lehren und Interpretationen ist er ein alle drei Religionen verbindendes Element. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob er eine historische oder fiktive Gestalt ist. Denn es kommt auf den Inhalt an, den die Person „Abraham“ in unsere Herzen transportieren soll. Was aber soll nun transportiert werden? Nun, die Verheißung, die Abraham von Gott bekommt, ist für den alten Mann eine ziemliche Verrücktheit und womöglich auch Zumutung, wenn man sie wortwörtlich nimmt. Aber Abraham scheint sie zunächst nicht wörtlich zu nehmen, denn er glaubte dem Herrn, dass seine Nachkommen so zahlreich wie die Sterne am Himmel sein werden. Und es heißt dann: „Und er glaubte dem Herrn und das rechnete er ihm als Gerechtigkeit an.“ (V6) Gott liebt es offenbar, wenn wir ihm mehr zutrauen, als unser Verstand begreifen kann.
Abraham glaubt ja auch nicht ganz so blind, denn schließlich fragt er nach, woran er das erkennen soll? Im Übrigen macht das Maria, die Mutter Jesu, auch nicht anders (vgl. Lk 1,34). Es mag ja sein, dass wir manchmal blind vertrauen müssen, aber grundsätzlich darf bei Gott auch nachgefragt werden. Ein bisschen Gewissheit darf schon sein. Auch Liebe und Freundschaft leben von Zeichen, die die Herzenserfahrung zum Ausdruck bringen sollen.
Das Ritual, das bei Abraham Gottes Verheißung bestätigen soll, ist schwer zu verstehen. Doch wenn Menschen vom Geheimnis Gottes berührt werden, dann steht nicht unbedingt zuerst eine Ekstase, sondern möglicherweise Angst und großes Dunkel (Gen 15,12). Diese Erfahrung begegnet uns heute auch im Evangelium bei der sog. „Verklärungsgeschichte“, wo die Jünger in der Wolke der Verborgenheit Gottes in Furcht gerieten. Die Stimme Gottes aus der Wolke sagt etwas, das gerade heute für viele Christen von großer Bedeutung sein könnte. Sie sagt: „Dieser ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören!“ (Lk 9,35). Letzte Identifikationsfigur für Christen ist nicht eine abstrakte Kirche, nicht der Papst, die Bischöfe oder die Priester, sondern einzig und allein jener, den Gott seinen geliebten Sohn nennt. Auf ihn zu hören, bedeutet, seiner Botschaft und seinem Tun zu glauben, dass Gott immer trotz allem Liebe ist und bleibt und jeden einzelnen von uns in diesem Jesus als seine geliebten Töchter und Söhne sieht und anspricht, ob unser Leben gelungen scheint oder nicht, ob wir der Norm und den Konventionen entsprechen oder nicht, ob das Leben gerade dunkel oder hell ist.
Beide, Abraham und Jesus, ermutigen uns, Vertrauen zu wagen, selbst dann noch, wo es gänzlich unvernünftig erscheint. Wir werden es vielleicht in den Nöten des Lebens manchmal nicht hinbekommen mit dem Vertrauen. Aber Gott hat sich in Abraham und auch in Jesus einseitig an seine Verheißung gebunden, egal, wie wir uns gerade dazu positionieren. Seine Liebe gilt und bleibt immer, ob wir nun glauben oder nicht.
Diese frohe Botschaft steht als Angebot in alle Ewigkeit, in ihr sollen wir Halt, Zuversicht und Kraft finden. Das meint Paulus, wenn er schreibt: „Steht fest im Herrn, Geliebte!“ (Phil 4,1). Das „erklärt“ nichts. Aber es klärt manche Nacht und Unruhe ein wenig auf. Um diese Erfahrung lasst uns Gott bitten. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)