(Sir 35,15b-17.20–22a; Jer 29, 4–14; Lk 18, 9–14)
Liebe Schwestern und Brüder,
der heutige sog. “Sonntag der Weltmission“ erinnert uns also daran, dass wir eine Mission haben. Das Wort „Mission“ kommt von dem lateinischen Wort „missio“, das wiederum mehrere Bedeutungen haben kann. Einmal heißt es „Absenden“, es kann aber auch mit „Freilassen“ und „Abschied“ übersetzt werden. Freilich kommt es da auch auf den Gesamtzusammenhang an, in dem es benutzt wird. Aber alle Bedeutungen passen auch gut in unser Thema heute.
Abschied genommen haben wir von einem Missionsverständnis, das nur Mitglieder gewinnen will. Wie das in der Geschichte des Christentums oft gelaufen ist, ist hinreichend bekannt. Abschied genommen haben wir auch von der theologischen Behauptung, dass ohne Taufe und Kirche niemand gerettet werden kann. Denn Gott allein ist es, der rettet. Das tut er mit seiner Liebe, und Liebe ist es auch, die er vor allem will. Mission heute ist tatsächlich vor allem absichtslose Liebe, die konkret wird in achtsamer Hilfe zur Selbsthilfe. Menschen werden hier nicht etwa klammheimlich gebunden, sondern freigelassen für ihr eigenes Leben. „Freilassen“, das kann das Wort „missio“ nämlich auch bedeuten.
Egal, wer mit welcher Mission auch immer unterwegs ist, er sollte auch bedenken, was uns die 1. Lesung und das Evangelium heute mit auf den Weg geben wollen. Niemand sollte von sich glauben, dass er jene pharisäische Versuchung nicht kennt, sich über andere zu überheben. Wie oft richten wir uns daran auf, dass wir klüger, stärker, fortschrittlicher, frömmer oder sonst was sind. Wie oft sind wir selber froh, nicht wie die anderen zu sein und verlieren, ohne dass wir das manchmal selber merken, jene Liebe, die Gott uns als wichtigstes Gebot aufgetragen hat. Eine Mission, die das vergisst, wird keinen Erfolg haben, wie immer man auch diesen Erfolg definiert. Eine Form mangelnder Liebe ist jene Selbstgerechtigkeit, die nur auf andere herabblicken kann. Da helfen auch keine Verweise auf besondere Frömmigkeit und moralische Spitzenleistungen. „Das Gebet eines Demütigen durchdringt die Wolken“, hieß es bei Jesus Sirach, und bei Gott gibt es kein Ansehen der Person, keine Bevorzugung gegenüber einen Armen. Gottes Mission ist absichtslose Liebe. Ungerechtigkeit und Selbstgerechtigkeit übersieht er nicht, sondern nennt sie beim Namen und missbilligt sie.
Vor Gott können wir doch letztlich alle nur beten wie der Zöllner im Evangelium: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ (Lk 18, 13) Wenn wir das ehrlich tun, dann ist „Mission“ nicht nur „Abschied“, „Freilassung“ und „Senden“, dann ist sie vor allem eine Haltung der Liebe, die keine Erniedrigung, keinen Missbrauch, keine Selbstgerechtigkeit, keinen Hochmut mehr zulässt. Das ist heilsam für die Menschen und Geschöpfe, das ist Gottesverehrung pur und bahnt einem menschenwürdigen Leben für alle und einer friedvolleren Welt den Weg, auf dem uns Gott immer vorangeht und uns segnend begleitet. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)