3. Ad­vents­sonn­tag A (11.12.2022)

(Jes 35, 1–6b.10; Jak 5, 7–10; Mt 11, 2–11)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
un­längst saß ich im Zug von Mün­chen nach Ber­lin und hat­te er­zähl­be­geis­ter­te Nach­barn. Um mich da ein we­nig zu­rück­zu­zie­hen, setz­te ich mei­ne Kopf­hö­rer auf und hör­te ein Live­kon­zert der Ea­gles, ei­ner be­rühm­ten, ame­ri­ka­ni­schen Band, die 1971 in Los An­ge­les ge­grün­det wur­de. Was mich über­haupt an Live­kon­zer­ten im­mer wie­der stau­nend fas­zi­niert, ist die Be­geis­te­rung und Freu­den­aus­ru­fe der Zu­hö­rer, be­son­ders bei be­lieb­ten und be­kann­ten Ti­teln der Band.

Im Zu­sam­men­hang mit Re­li­gi­on und Lit­ur­gie in un­se­ren Brei­ten­gra­den kann ich mir so et­was über­haupt nicht vor­stel­len. Das sieht z.B. in man­chen afri­ka­ni­schen Kir­chen oft ganz an­ders aus, wo Gläu­bi­ge bei der Pre­digt des Pas­tors laut­stark zu­stim­men und im Got­tes­dienst fröh­lich sin­gen und tan­zen. Das ist frei­lich auch ei­ne Men­ta­li­täts­fra­ge und wirkt, wenn wir das ma­chen wür­den, eher steif und pein­lich.

Auch in der Le­sung heu­te aus dem Buch Je­sa­ja wird ge­ju­belt, ge­jauchzt und froh­lockt. Grund die­ser über­schwäng­li­chen Freu­de ist die Rück­kehr vie­ler Is­rae­li­ten aus dem Exil. Ich stel­le mir al­so das Ju­beln und Jauch­zen vor und kann es mir lei­der in ei­nem ka­tho­li­schen Got­tes­dienst hier­zu­lan­de gar nicht vor­stel­len. War­um ist das ei­gent­lich so? Ist un­se­re Re­li­gio­si­tät so ernst, dass Freu­de und Ju­bel da kei­nen Platz ha­ben? Ob­wohl „Evan­ge­li­um“ „Fro­he Bot­schaft“ heißt, ist von „froh“ oft so we­nig zu spü­ren.
Viel­leicht gibt es da ei­ne ge­wis­se Fi­xie­rung auf den Ge­kreu­zig­ten, auf un­se­re Un­wür­dig­keit und Sünd­haf­tig­keit, ein ein­sei­ti­ger Blick auf den Him­mel von mor­gen? Aber was ist mit heu­te? Je­sa­ja schwärmt nicht von ei­ner Zu­kunft, die dann doch nicht kommt. Er be­singt in sei­nen wun­der­schö­nen, poe­ti­schen Bil­dern die kon­kre­te Er­fah­rung von Heil in der Ge­gen­wart.
Und war es bei Je­sus nicht ge­nau­so? Jo­han­nes der Täu­fer er­war­tet ja viel­leicht eher ei­nen Je­sus, der mal so rich­tig auf den Tisch haut. Statt­des­sen ver­weist Je­sus auf ge­gen­wär­tig, er­fah­re­nes Heil.

„Bist du der, der kom­men soll…?“, lässt Jo­han­nes fra­gen, der of­fen­sicht­lich Zwei­fel hat. Je­sus aber er­klärt sich nicht, son­dern ver­weist auf die Wun­der von Hei­lung an See­le und Leib, ver­weist auf heil­sa­me Ver­wand­lung von krank­ma­chen­den Le­bens­um­stän­den und steht so­mit ganz in der Tra­di­ti­on des Je­sa­ja.
Wo so et­was zur Er­fah­rung wird, da muss doch Freu­de und Ju­bel sein, da kön­nen re­li­giö­se Men­schen nicht an­ders, als die­se Wun­der auf Gott zu be­zie­hen. Um Jetzt geht es al­so, um ei­ne Ge­gen­wart die jetzt schon heil­sa­mer ist und nicht erst in der er­hoff­ten Ewig­keit.

Schau­en wir doch auch auf Je­sus, auf sein Le­ben, Han­deln und Ver­kün­den vor sei­ner Kreu­zi­gung. Die ers­ten Dar­stel­lun­gen, die wir von Je­sus ha­ben, zei­gen Je­sus nicht als den Ge­kreu­zig­ten, son­dern als Gu­ten Hir­ten.

Na­tür­lich kön­nen wir nicht dau­ernd ju­beln und froh­lo­cken. Da­zu ist das Le­ben lei­der manch­mal zu ernst. Aber war­um ha­ben wir in un­se­ren Lit­ur­gien, in un­se­rer Spra­che, in der All­täg­lich­keit des Le­bens schein­bar so we­nig Grund zur Freu­de?
Mö­ge im Blick auf die drit­te Ker­ze des Ad­vents uns die Er­mu­ti­gung ge­schenkt sein, dass auch wir mit den bi­bli­schen Tex­ten heu­te ge­meint sind. Mö­gen wir „vom Herrn Be­frei­te“ sein, mö­ge sich da­durch we­nigs­tens von Zeit zu Zeit et­was mehr Ju­bel und Freu­de ein­stel­len, vor al­lem dann, wenn mal Kum­mer und Seuf­zen ent­flo­hen sind. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)