(Jes 8, 23b‑9,3; 1 Kor 1,10–13.17; Mt 4, 12–23)
Liebe Schwestern und Brüder,
Karfárnaum war die Wahlheimat von Jesus. Sie liegt am westlichen Ufer des Sees Genezareth. Galiläa galt zur Zeit Jesu als heidnisches Gebiet. Heute würde man vielleicht von Diaspora sprechen. Klar, auf der Stirn Jesu stand nicht: „Ich bin Jesus, der Sohn Gottes!“ Dennoch aber zog es ihn in die Diaspora, er, von dem sich nachher herausstellte, dass er aus dem Herzen Gottes kam. Er ging also nicht dahin, wo viele Gläubige lebten und die religiöse Welt noch heil erschien. Nein, er ging dahin, wo die sog. „Gläubigen“ nur Gottlosigkeit und Untergang vermuteten, Finsternis eben. Menschen, die ehrlich zu glauben versuchen, wissen natürlich, dass Glauben dürfen keine Eigenleistung ist. Sie wissen auch, dass er sie nicht vor Torheiten schützt und sie keineswegs dazu berechtigt, Andersgläubige oder die als „Ungläubige“ Diffamierten abzuwerten und gering zu schätzen. Seit Jesus nach Karfárnaum, in das heidnische Galiläa, ging, geht das nicht mehr. Jesus ging vermutlich nicht dahin, weil es die Menschen da besonders nötig hatten. Nein, es scheint, als hätten da einfach mehr Menschen ein offenes Ohr und Herz als anderswo. Sie spürten, dass da irgendwie was fehlt, dass in ihrem Leben und Suchen vielfältiges Dunkel war.
Darum wurde ihnen Jesus zum Licht. Er kam nicht, um zu urteilen und zu verurteilen. Er kam auch nicht, um zu missionieren. Er kam einfach, um den Menschen zu sagen, dass Gott nahe ist. Er stellte keine Bedingungen dafür. Das Einzige, was er erbat, war, dass sie umdenken sollten. Sie sollten sich eben nicht mehr für „gottlos“ halten und so bezeichnen lassen. Sie sollten nicht meinen, vor Gott nichts wert zu sein und keine Chance zu haben. Sie sollten einfach nur glauben: „Gott ist jetzt euch nahe“, nicht irgendwann, nicht, wenn genug gebetet und moralisch wieder aufgerüstet ist, nein, jetzt und sofort!
Er, Jesus, der theologische Laie, sprach so anders von Gott, dass seine Worte und Taten wie ein helles Licht in aller Dunkelheit des Herzens und Lebens war. Und er rief nicht Theologen, nicht Profireligiöse, nicht eigens dafür Ausgebildete, in seine Nachfolge, sondern Fischer, gebildet durch die Realität des Lebens. Nach dem Evangelisten Matthäus beruft er gleich zwei Brüderpaare, um schon damit zu zeigen, dass Brüderlichkeit bzw. Geschwisterlichkeit fundamental für die Nachfolge seien, in die wir alle gerufen sind.
Ein Menschenfischer ist kein Menschenfänger. Ein Menschenfischer fängt Menschen auf, spannt Beziehungsnetze, in die man sich getrost fallen lassen kann. Und alle, die ihm nachfolgen, sollen die Worte nachsprechen und ‑leben: „Das Himmelreich, also Gott, ist nahe!“ Sichtbar und spürbar wird das dort, wo Heil für Seele und Leib geschieht, wo Menschen gemeinsam unterwegs sind und nicht gegeneinander, wo alle Menschen in jenem Licht geborgen und eins sein dürfen, das Jesus „Himmelreich“ nannte, und zwar für hier und heute. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)