(Ex 17, 3–7; Röm 5, 1–2.5–8; Joh 4, 5–42)
Liebe Schwestern und Brüder,
es kann schon ein kleines Fastenopfer sein, ein so langes Evangelium hören zu müssen. Die Geschichte ist ohne Zweifel sehr schön und tiefgründig, aber eher zum meditativen Lesen geeignet. Da steckt einfach zu viel drin. Aber vielleicht gilt das ja auch für die normalen Sonntagsgottesdienste mit ihren drei Lesungen. Aber es sitzen in einem Gottesdienst eben sehr unterschiedliche Menschen, mit genauso unterschiedlichen Lebensgeschichten und ‑zusammenhängen. Jeden spricht darum etwas Anderes an. Und so soll es ja auch sein. Der Tisch des Wortes wird reichlich gedeckt, damit jeder etwas finden kann, was seinen Durst nach Lebensworten ein wenig stillen kann. Es kommt ja nicht darauf an, allen Worten nachzugehen, sondern eben jenem, was uns vielleicht gerade besonders berührt. Da können dann die vielen anderen getrost unter den Tisch fallen.
Wie schon oft gesagt, haben 1. Lesung und Evangelium immer eine Stichwortverbindung. Das scheint heute Durst und Wasser zu sein. Mit einem kühlen Bier Durst zu löschen, ist für mich in der Regel ein Genuss. Aber Wasser kann auch vorzüglich schmecken, wenn man Durst hat.
Das Volk dürstet in der 1. Lesung ganz praktisch nach Wasser und Jesus im Evangelium auch. Angeblich ist ja das Volk auf dem Weg ins gelobte Land. Der Weg dahin aber ist zu mühselig, manchmal gar lebensbedrohlich, wie Leben eben immer wieder auch. Da ist schon manchmal die Frage erlaubt, ob der Herr in unserer Mitte ist oder nicht (Ex 17,7). Tatsächlich sind wir Menschen oft keine Weltmeister des Vertrauens. In solch‘ extremer Not ist das ja auch wirklich sehr schwer. Wer noch nie erfahren hat, wie mühselig das Glauben, also Vertrauen, sein kann, der weiß vermutlich noch nicht wirklich, was Glaubendürfen als Geschenk ist. Und es ist wahrlich ein Geschenk, das nichts, aber auch gar nichts, mit Lehrbüchern zu tun hat, die man sich um die Ohren hauen kann.
Das Evangelium hebt den Durst nach Wasser natürlich auf eine ganz andere Ebene. In der namenlosen Frau aus Samárien steckt beispielhaft so viel Sehnsucht nach einem Namen, also nach Wahrgenommen und Gesehenwerden, steckt so viel Sehnsucht nach Wertschätzung und Liebe drin, die sie leider auch in sechs Beziehungen mit Männern noch nicht annähernd finden konnte. Und Jesus macht ihr das keineswegs zum Vorwurf. Kann aber Jesus damals wie heute so einfach tiefste Lebenssehnsüchte erfüllen und menschliche einfach ersetzen? Das Evangelium scheint das zu behaupten und viele Religiöse auch. Aber ich bin mir da nicht ganz so sicher. Vielleicht sollten wir uns öfter und bewusster klarmachen, dass Jesus und Gott nicht immer extra draußen dranstehen müssen, damit sie da sind. Wir können durchaus einander schon ein wenig den Lebens- und Liebesdurst stillen und haben auch den Auftrag dazu. Aber wenn es geschieht, ist dies immer auch ein Wunder des Himmels, von dem wir erhoffen, dass da alle Sehnsucht, aller Lebens- und Liebesdurst seine Erfüllung und Vollendung finden wird. Was wäre das sonst auch für ein Himmel, wo dies nicht geschieht.
Jetzt aber, auch in der Fastenzeit, sollten wir wie Jesus den Mut haben, zu eigener Bedürftigkeit zu stehen, Zeit und Ohren für suchende Menschen zu haben, die wir immer auch selber sind. Vor allem aber sollten wir aus jener Liebe leben, die uns durch Gottes Geist geschenkt ist (Röm 5,5). Vielleicht ist das dann auch die sog. „Anbetung im Geist und in der Wahrheit, so wie der Vater angebetet werden will“ (Joh 4, 23). Dazu möge uns Gottes Geist gegeben sein. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)