4. Fas­ten­sonn­tag A – Laet­a­re (19.03.2023)

(1 Sam 16, 1b.6–7.10–13b; Eph 5, 8–14; Joh 9, 1–41)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
wenn Gott „Wah­len“ ab­hält, dann wählt er meis­tens kei­ne al­ten Män­ner, son­dern je­ne Jüngs­ten, die nie­mand auf dem Schirm hat und de­nen man auch nicht zu­traut, ein wich­ti­ges Amt über­neh­men zu kön­nen. So le­sen und hö­ren wir es heu­te bei der Be­ru­fungs­ge­schich­te des Da­vid. Gott hat halt so sei­ne ei­ge­ne Art, Frau­en und Män­ner, Kin­der und Ju­gend­li­che, Jun­ge und Al­te, zu ru­fen und in Dienst zu neh­men. Auch dies ist in der Bi­bel ein ro­ter Fa­den, wie Gott im­mer wie­der Men­schen in An­spruch nimmt und an­re­det. Man spricht dann auch von „Be­ru­fung“, die je­der Mensch hat, auch wenn sie in den sel­tens­ten Fäl­len ins Pries­ter­se­mi­nar bzw. ins Klos­ter oder in ei­nen kirch­li­chen Be­ruf füh­ren. Lei­der aber fi­xiert man sich im­mer wie­der nur auf die­se drei Be­ru­fungs­mög­lich­kei­ten und ist blind für die vie­len an­de­ren Be­ru­fun­gen, die Gott zu je­der Zeit schenkt.

Im Evan­ge­li­um sind re­li­giö­se Pro­fis, hier Pha­ri­sä­er ge­nannt, die ei­gent­lich Blin­den, die nicht se­hen wol­len, was es nicht ge­ben darf und doch vor Au­gen liegt. Es scheint fast so, als wöll­ten sie nicht, dass je­mand im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes wie­der „Durch­blick“ hat. Denn dann kann man ja die­se Men­schen nicht mehr wie Un­mün­di­ge be­han­deln. Sie neh­men den se­hend ge­wor­de­nen Blin­den oh­ne­hin nicht ernst, stel­len im­mer wie­der die glei­chen Fra­gen, als wä­ren sie taub, und wol­len sei­ne Er­fah­rung, sei­ne Ant­wort, ein­fach nicht hö­ren und nicht ernst neh­men. Schließ­lich re­den sie gar nicht mehr mit ihm, son­dern mit sei­nen El­tern über ihn. Was nicht in ihr Welt­bild passt, darf es ein­fach nicht ge­ben. Was sie oh­ne­hin von dem ehe­mals Blin­den hal­ten in ih­rer Selbst­ge­rech­tig­keit und Selbst­ge­fäl­lig­keit er­fah­ren wir, wenn sie ihn an den Kopf wer­fen, dass er ganz und gar in Sün­den ge­bo­ren ist (V34) und ihn ein­fach ex­kom­mu­ni­zie­ren. Ja, Je­sus trifft den Na­gel auf den Kopf, wenn er sagt: „ich bin ge­kom­men, da­mit die nicht Se­hen­den se­hen und die Se­hen­den blind wer­den“ (V39).
Tat­säch­lich fragt man sich manch­mal, wer ei­gent­lich blind und wer se­hend ist. Vor­sich­tig müs­sen al­le sein, die sich für „se­hend“ bzw. wis­send hal­ten und all je­ne ab­wer­ten, die sie für blind hal­ten.
Das Evan­ge­li­um lehrt uns u.a., dass die exis­ten­ti­el­le Not ei­nes Men­schen we­der ei­ne Stra­fe Got­tes, noch Grund in ir­gend­wel­chen Sün­den hat, im Ge­gen­teil. Ge­ra­de an die­sem Blin­den will Gott zei­gen, was er für al­le Men­schen will, näm­lich dass sie Se­hen­de wer­den, nicht nur das Ne­ga­ti­ve, das Ein­gren­zen­de, das „Ein­leuch­ten­de“, son­dern auch das Schö­ne, das Be­frei­en­de, das Mit­ein­an­der Ver­bin­den­de. Je­sus weiß, dass es Wun­den gibt, die blind ma­chen kön­nen. Er be­rührt sie und schenkt Kraft, sie an­zu­se­hen und mög­li­cher­wei­se auch an­zu­neh­men. Nur dann kann doch Hei­lung ge­sche­hen, kann Durch­blick wie­der ge­schenkt wer­den.
Es mag sein, dass der se­hend Ge­wor­de­ne ex­kom­mu­ni­ziert ist. Aber er hat ei­ne be­frei­en­de Ge­mein­schaft ge­fun­den, die heil­sam ist und se­hend macht, vor al­lem aber Je­nen, der Licht sein will und Be­frei­er aus al­lem, was Ge­fan­gen­schaft, Un­mün­dig­keit und Un­heil be­deu­tet.
Ei­ne sol­che Er­fah­rung wün­sche ich uns, egal, in wel­cher Form von Be­ru­fung wir ge­ru­fen sind. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)