(Dtn 8, 2–3.14–16a; 1 Kor 10, 16–17; Joh 6, 51–58)
Liebe Schwestern und Brüder,
als ich 1999 für einige Zeit in der Wüste Sinai war, kam eines Tages ein Beduinenmädchen auf einem Kamel angeritten. Sie winkte mich zu sich und gab mir wortlos ihre Wasserflasche zum Trinken. Das hat mich sehr berührt. Es war ein unverhofftes und unerwartetes Zeichen, gleichsam ein Sakrament, also ein „heiliges Zeichen“, das uns wortlos miteinander verband. Für Liebende oder für Menschen, die Menschsein und Herz miteinander zu teilen wagen, kann alles zum Sakrament ihrer Liebe werden.
Wenn wir also heute mit diesem Hochfest Brot und Wein in den Mittelpunkt stellen, dann dürfen wir nie vergessen, dass sie heiliges Zeichen eines wahrhaft göttlich Liebenden sind. Es geht also nicht zuerst um losgelöste Zeichen, sondern um Ihn und seine Liebe.
Solch heilige Zeichen der Liebe sind eigentlich etwas sehr Intimes. Sie sind nicht für eine fremde Öffentlichkeit gedacht, die diese Zeichen nicht versteht. Sie sind für jene gedacht, die in diesem heiligen Raum der Liebe stehen.
Angezündet und verwandelt durch diese himmlische Liebe sollen wir selbst zum heiligen Zeichen werden, zu Brot und Wein für jene Menschen und Geschöpfe, die sich nach heilsamer und liebevoller Begegnung sehnen.
Das war das Lebensprojekt Jesu. Darum konnte er sich und sein Leben leicht in Brot und Wein wiedererkennen. Genau das wollte er im Namen Gottes für die Menschen sein: wie nährendes Brot, wie frohmachender Wein für Seele und Leib. Genau das sollten auch seine Jüngerinnen und Jünger verinnerlichen. Darum ist das Essen und Trinken selber nochmals ein heiliges Zeichen, weil es uns daran erinnert, keine veräußerlichte, sondern eine verinnerlichte Frömmigkeit und Geisteshaltung zu pflegen.
Alle Liebe durchweht ein Hauch von Ewigkeit, das Versprechen, dass der Geliebte nicht sterben wird. Der große französische Philosoph Gabriel Marcel drückte es so aus: „Einen Menschen lieben heißt sagen: du wirst nicht sterben.“
Jesus sagt im heutigen Evangelium: „Wer von diesem Brot ist, wird in Ewigkeit leben.“ (Joh 6, 51) Ja, von seiner Liebe leben wir. Sie trägt uns im Leben, im Sterben und über den Tod hinaus. Dieses Vertrauen muss uns in Fleisch und Blut übergehen, das heißt nämlich „sein Fleisch essen und sein Blut trinken“ (Joh 6, 53ff).
Mögen wir also heute nicht nur beim Anschauen verweilen. Mögen wir verinnerlichen, was Er uns im Namen Gottes vorgelebt und verkündet hat.
Mögen wir selber „Brotexistenzen“ sein, denen zu begegnen eine Quelle der Kraft und der Freude ist. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)