(Sach 9, 9–10; Röm 8, 9.11–13; Mt 11, 25–30)
Liebe Schwestern und Brüder,
ich erinnere mich an meine Studienzeit in Erfurt zwischen 1978 und 1983. Da gab es ein Fest, wo alle ostdeutschen Bischöfe anwesend waren. Nach dem Gottesdienst standen ihre Dienstwagen und Fahrer in Reih und Glied auf dem Domplatz. Es waren ausschließlich „Westwagen“, meistens ein Mercedes. Auf die Frage, warum es denn ein solches Auto sein muss, hieß es immer, dass es vor allem aus Repräsentationsgründen sei. Schließlich kann man ja nicht bei staatlichen Stellen mit einem Trabant oder Wartburg vorfahren. Das hört sich tatsächlich schlüssig an, von der besseren Bequemlichkeit mal ganz abgesehen.
Der Prophet Sachárja träumte in der 1. Lesung davon, dass man nicht auf ein besonderes Pferd setzen und auf ihm sitzen muss, zumal es in der Antike auch eine Chiffre für das Militär war. Auf einem Esel sitzen bedeutete: Bescheidenheit, Entmilitarisierung und das Abschwören jeglicher Form von Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung. Wer heute mit einem Kleinwagen oder gar Fahrrad vorfahren würde, macht sich vermutlich zum Esel.
Wie dem auch sei: die Lesung verweist natürlich auch auf den gütigen und demütigen Jesus im Evangelium. Er besaß ja bekanntlich die Freiheit, sich nicht um Konventionen zu scheren und mit bewundernswerter Konsequenz seine Geisteshaltung zu leben. Die war kaum kompatibel mit der üblichen Religiosität , die mehr auf Eigenleistung setzte, denn auf die unverdiente Liebe. Auf das völlig unverdiente Geschenk dieser Liebe setzten freilich vor allem die, die durch die Raster der offiziellen Religion hindurchgefallen waren, weil ihre Lebensumstände sie ausschlossen oder sie nicht in der Lage waren, den religiösen Leistungssport mitzutragen. Sie waren also nicht wirklich religionsmündig.
Aber nicht nur das, auch die Sorgen und Nöte des Lebens drückten vielen auf ihre Seelen, nicht anders als heute. Nun sagt Jesus zu diesen, dass sie bei ihm Ruhe finden könnten für ihre Seelen, weil sein Joch sanft und seine Last leicht wären. Aber was meint er damit? Mir scheint, das ist einfach seine erwartungsfreie Liebe, die komplett gratis geschenkt ist, auch wenn das den klugen und weisen, religiösen Leistungssportlern gar nicht gefällt.
Was sagt Jesus? „Lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig!“ (Mt 11, 29) Nein, dieser Jesus und sein Gottesgeist bedrücken nicht, unterdrücken nicht, erdrücken nicht. Er drückt jeden an sein Herz, der sich keine hohen Rösser leisten kann, der seine Bedürftigkeit, existenzielle Verletzlichkeit und Zerbrechlichkeit zugeben kann und worin jeder Mensch, wirklich jeder!, dem anderen darin zur Schwester bzw. zum Bruder werden kann, wenn er es denn wirklich zulassen würde. Das anzuerkennen und zu leben, ist wahrhaftig heilsame Demut und hat die Macht, die Welt friedlicher, gewaltfreier und liebevoller zu machen.
Ich wünsche vielen von uns, dass wir den Mut haben, uns in diesem Sinne und Geiste wirklich auf Jesus einzulassen. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)