(Weish 12, 13.16–19; Röm 8, 26–27; Mt 13, 24–43)
Liebe Schwestern und Brüder,
ich bin froh, dass im Karmel die Gebetszeiten grundsätzlich zwecklos sind. Es geht nicht darum, in Ekstase zu geraten, nicht darum, Gott schöne Verse aufzusagen, nicht darum, zur Ruhe zu kommen, Frieden zu finden oder einen tollen Gedanken. Es geht auch nicht um die Länge der Gebetszeit. Es geht einfach darum, da zu sein und sich von der verborgenen Gegenwart Gottes umarmen zu lassen. Manchmal denke ich, dass Gebet genauso unaussprechlich ist wie jene Seufzer, von denen der heilige Paulus heute an die Römer und uns im Bezug auf das Beten des Heiligen Geistes in uns spricht.
Manchmal lasse ich auch gerne andere für mich beten, nicht in dem Sinne, dass andere für mich tun sollen, was ich selber höchstpersönlich tun muss, nein, so meine ich das nicht. Aber wie oft habe ich im Frühling den Gesang der Amsel oder anderer Singvögel zu meinem Gebet gemacht. Denn schöner kann ich meine Gebete nicht zu Gott hin singen! Es gibt auch Musik, die so schön ist, dass ich mich gerne diesem Gebet anschließe und mich von ihr gen Himmel tragen lasse. Sehr gerne bete ich auch mit meiner Gitarre. Sie drückt auch so wunderbar aus, was ich gar nicht in Worte fassen kann.
Auch das Geräusch, das der Wind macht, wenn er sanft durch die Bäume streicht oder das Meer, wie es ans Ufer singt, ist ein wunderschönes Gebet, dem ich mich gerne überlasse. Besonders in der Wüste Sinai, in der ich mehrmals sein durfte, war es einfach das Hören auf die Stille, das mir wie ein unaussprechliches, heilsames Gebet erschien, auf das ich mich setzen und wie auf einem fliegenden Teppich friedvoll tragen lassen konnte.
Es gibt so viele Gebete, die man sich zu eigen machen darf, ohne auch nur ein einziges Wort zu sagen. Manchmal entweicht dann einfach nur ein „Danke“ aus dem tiefsten Herzen für all‘ die wunderschönen Gebete, die uns da geschenkt werden. Und wer weiß, ob da nicht schon das unaussprechliche Seufzen des Geistes ist, von dem Paulus im Brief an die Römer und uns spricht.
Vielleicht könnte es gerade in der Urlaubszeit eine schöne Übung sein, zu schauen und hinzuhören, welchen Gebeten wir uns einfach anschließen dürfen.
Das Himmelreich, so hören wir im Evangelium, wächst ja auch alleine, ohne dass wir da nachhelfen müssen.
Und in der 1. Lesung aus dem Buch der Weisheit hieß es, dass Gott für alles Sorge trägt (Weish 12,13). So wird er auch jene Gebetsform für uns finden, die genau für uns gut und heilsam ist, ohne dass das ein Kraftakt sein muss.
Es möge also zwecklos sein, unser Beten, damit es wirklich Gott meint und nicht nur uns selber. Der islamische Mystiker Rumi soll einmal gesagt haben, dass er gerne den Himmel und die Hölle abschaffen würde, damit Gott wirklich um seinetwillen gesucht und geliebt würde. Denn jede Liebe muss letztendlich zwecklos sein, wenn sie heilsam sein soll, auch für Gott.
So hat eben vermutlich das Beten ganz viel mit Liebe zu tun, die ja auch einfach schweigend da sein kann.
Ich wünsche jedem seine ganz eigene Art zu beten und mit Gott zu sein. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)