(1 Kön 3, 5.7–12; Röm 8, 28–30; Mt 13, 44–46)
Liebe Schwestern und Brüder,
was immer man lernen möchte oder muss: nicht die Intelligenz ist vor allem entscheidend, sondern die Motivation. Wer ein Instrument lernen will, sollte es zuallererst lieben oder lieben lernen, sonst wird das sehr mühselig. Warum erwähne ich das? Weil sich Jesus heute im Evangelium mit seinen Gleichmissen vom Schatz und von der kostbaren Perle bemüht, Gott als Schatz, als kostbare Perle, in unserem Leben zu entdecken.
Ich befürchte, dass es vielen schwerfallen wird, Gott so zu sehen und zu erfahren. Zu oft wurde und wird er als Moralkeule missbraucht, als Drohkulisse, wenn man vielleicht sein Leben verfehlt, was immer das heißt. Wie oft wurde und wird er benutzt, um institutionell wie privat liebloses Verhalten zu rechtfertigen. Wer heilige Bücher mit Füßen tritt, ist lieblos und unverantwortlich und hat von wirklicher Freiheit nichts verstanden, weil sie eben manchmal auch die Freiheit bedeutet, etwas um der Liebe willen nicht zu tun.
In geistlichen Kommentaren zu diesem Gleichnis vom Schatz im Acker und der wertvollen Perle wird oft fälschlicherweise behauptet, dass man eben alles hergeben muss, um diesen Schatz, diese wertvolle Perle, zu finden. Dabei geht es doch nicht um eine Bedingung, sondern um eine Erfahrung. Weil man gefunden hat, setzt man leicht ganz andere Prioritäten. Das ist so ähnlich, wie man sich verliebt hat. Da geht man nicht lieber zum Fußballspiel mit seinen Freunden, sondern trifft sich vielmehr stattdessen mit dem geliebten Menschen. Es sei denn, der ist auch fußballbegeistert.
Ein weiterer Aspekt wird oft übersehen. Da sind Menschen, die ihrem alltäglichen Leben nachgehen oder auf der Suche sind. Beiden aber wird der Schatz bzw. die Perle geschenkt.
Wenn Jesus also Gott, das Himmelreich, mit dem Schatz und der Perle vergleicht, dann ist das Finden immer sein Geschenk und nicht der Mühsal des Menschen geschuldet. Wenn uns also Gott noch nicht oder nicht mehr als Schatz, als kostbare Perle, begegnet, dann lasst uns danach suchen, uns danach sehnen. Erlauben wir Gott, uns von „dämonischen Gottesbildern“ (Karl Frielingsdorf) zu befreien, damit er endlich wieder als Schatz oder kostbare Perle wahrgenommen werden und uns darum heilsam, ermutigend und tröstlich begegnen kann. Wer Gott solcherart gefunden und geschenkt bekommen hat, der kann sich nicht mehr über andere erheben, weil er weiß, dass das nicht seine Leistung war.
Es gibt mehr Menschen mit hörendem Herzen, als manche wahrhaben wollen. Sie müssen nicht einmal in einer Religion beheimatet oder verwurzelt sein. Aber auch sie können einen Schatz, eine kostbare Perle des Lebens gefunden haben. Sie sind allen Suchenden und Herzoffenen Schwestern und Brüder im Geist.
Mögen also auch uns hörende Herzen geschenkt sein. Mögen wir aber vor allem Gott mehr und mehr als Schatz und kostbare Perle erfahren dürfen, nicht zuerst um unseretwillen, sondern vor allem um Gottes willen. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)