(1 Kön 19, 9ab.11b-13; Röm 9, 1–5; Mt 14, 22–33)
Liebe Schwestern und Brüder,
wenn im Leben manchmal neue Abschnitte beginnen, bekommt man u.a. so manche, gute Ratschläge. Bevor ich 1978 zum Theologiestudium nach Erfurt ging, bekam ich den bemerkenswerten Ratschlag, doch bitteschön schon Glauben zu haben. Denn im Studium würde man ihn nicht finden. Dieser Ratschlag war gut gemeint, aber komplett falsch. Vermutlich bezog er sich auf eine Art von Glauben, der davon ausging, dass alles, was in der Bibel steht, genauso und nicht anders passiert ist. Dieser Glaube wurde tatsächlich erschüttert, aber zu Recht. Denn diese Art von Glauben steht auf wackligen Füßen, eher auf Sand, denn auf Fels. Und es verwundert mich schon, dass bis heute, selbst in allerhöchster Stelle, so getan wird, als hätte es noch keine wissenschaftliche Durchdringung der Heiligen Schrift gegeben. Dabei hilft uns doch die theologische Wissenschaft, aus einem infantilen, einen erwachsenen Glauben werden zu lassen, der sich darauf gründet, was letztlich die tiefste Aussageabsicht eines biblischen Textes ist.
Es wird doch niemand mehr allen Ernstes glauben, dass Jesus wirklich über den See gegangen ist! Auch ein Sohn Gottes durchbricht da keine Naturgesetze.
Natürlich ist das Evangelium eine wunderschöne Glaubensgeschichte. Allerdings zeigt sie uns zuerst, wie wenig oft von unserem Glauben in den Stürmen des Lebens, und wenn uns das Wasser bis zum Halse steht, übrigbleibt. Das war bei den großen Aposteln nicht anders und wird es bis heute nicht anders sein. Wenn man nur auf das fixiert ist, was beängstigend ist, geht man tatsächlich unter.
In dieser Geschichte wird noch einmal deutlich gemacht, dass nicht der intellektuelle Zweifel das Gegenteil von Glauben ist, sondern die Angst. Sie lässt uns untergehen und vor lauter Gespenstern jenen nicht sehen, der uns einen tragfähigeren Glauben schenken möchte.
Was wir also zuallererst merken, ist, wie wenig unser Glaube manchmal in den Mühsalen des Lebens trägt. Das ist aber nicht schlimm. Denn wenn wir uns dann nicht selbst betrügen und auch nicht in bloße Rechtgläubigkeit flüchten, dann besteht die Chance, dass ER uns begegnen kann. Nicht umsonst heißt es: „sogleich sprach Jesus zu ihnen…“ (V27) und bei Petrus: „Jesus streckte sofort die Hand aus, ergriff ihn…“ (V31). Das soll uns zur Erfahrung werden, dass er sofort da ist und da sein möchte, wenn uns das Wasser bis zum Halse steht. Vor allem aber soll uns jener Glaube zugesagt und geschenkt sein, der in den Worten steckt: „Habt Vertrauen, ich bin es, fürchtet euch nicht!“ (V 27)
Dieser geschenkte Glaube ist kein Besitz ein für allemal und keine Selbstverständlichkeit, wie Petrus sofort in seinem Übereifer bezeugt. Aber auch er macht gerade in dieser schmerzlichen Erkenntnis die Erfahrung, dass der geschenkte Glaube hält und trägt.
Darin erweist sich der Sohn Gottes als Sohn Gottes, dass er uns nicht im Stich lässt in unserer Angst und Not und dass es sich lohnt, ihm zu vertrauen, wenn er doch über dem steht, was uns versinken lässt.
Ist der Glaube daran nicht viel vernünftiger, tragfähiger und heilsamer, als annehmen zu müssen, dass Jesus wirklich über das Wasser gegangen ist?
Ich wünschte, es könnten viele von uns freudig so zu glauben versuchen, wie es die Absicht des Evangelisten war. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)