(Jes 22, 19–23; Röm 11, 33–36; Mt 16, 13–20)
Liebe Schwestern und Brüder,
das Einzige, was heute die 1. Lesung und Evangelium miteinander verbindet, ist das Stichwort „Schlüssel“. Vielleicht wird es irgendwann einmal eine Zeit geben, in der man das Wort „Schlüssel“ nicht mehr versteht, weil schon heute in Hotels und Privathäusern andere Formen des Öffnens und Schließens praktiziert werden.
Das Wort „Schlüssel“ kann viele Assoziationen wecken. Da kann man an Schlüsselerlebnisse, an Schlüsselgewalt oder an den passenden Schlüssel denken und vieles mehr. Ein Schlüssel kann also öffnen, wie schließen. Keinen passenden Schlüssel zu haben, bedeutet irgendwie, draußen bleiben zu müssen oder, im Gefängnis, nicht mehr hinauszukommen.
Im Evangelium übergibt Jesus dem Petrus die „Schlüssel des Himmelreiches“. Das sind nicht die Schlüssel für den Himmel und das ewige Leben. Die wird Gott wohl keinem Menschen überlassen. Auch ist nicht gleich bei den „Schlüsseln des Himmelreiches“ an eine Schlüsselgewalt zu denken, die dem Petrus die Macht gibt, Leute vom Himmelreich auszuschließen. „Himmelreich“ ist in der Verkündigung Jesu immer eine Umschreibung für die irdische Nähe Gottes. Insofern sind die „Schlüssel des Himmelreiches“ eigentlich eine beinah ziemliche Überforderung für Petrus und für jeden Menschen, weil es uns oft nur sehr bruchstückhaft gelingt, anderen Menschen die heilsame Nähe Gottes erfahrbar zu machen. So kann Petrus nach seinem Bekenntnis nur deswegen „selig“ sein, weil er das Bekenntnis zu Jesus nicht aus sich selbst, sondern als Geschenk des Himmels erkennen muss.
Jesus macht den Simon ja nicht zu Petrus, zum Felsen, weil dieser perfekt und vollkommen ist, sondern weil seine Liebe in seinen Fehlern, Schwächen und in seiner Menschlichkeit nicht erlischt. Und da Gottes Liebe sich wegen unserer Fehler, Schwächen und Sünden nicht verschließt, soll Petrus allen, die sich in ihrer Armseligkeit von Gottes Liebe ausgeschlossen fühlen, aus dieser Angst lösen und wieder an Gottes Liebe binden. So jedenfalls hat es Jesus ständig praktiziert. Kein Mensch sollte sich das Recht herausnehmen, auch qua Amt nicht, Menschen von Gottes Liebe und Segenserfahrung auszuschließen. Das „Binden und Lösen“ bezieht sich schon gar nicht auf die sog. „Beichte“, sondern ist der heilsame Auftrag, Menschen im Geheimnis Gottes Halt finden zu lassen und vor allem von und aus allem zu lösen und zu befreien, was sie daran hindern könnte.
Dem Palastwächter Schebna in der 1. Lesung aus dem Buch Jesaja wird der Schlüssel genommen, weil er den Schlüssel und seine Macht für Eigeninteressen und gegen die ihm anvertrauten Menschen missbraucht hat. Davon sind alle Schlüsselträger bis heute nicht ausgenommen.
Ob dieser Jesus, der das Himmelreich für viele heilsam aufgeschlossen hat, uns zum Schlüsselerlebnis werden kann, liegt auch an der Beantwortung jener Frage, die Jesus an seine Jünger und uns stellt: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich“? Das Bekenntnis des Petrus zu Jesus als „Sohn des lebendigen Gottes“ meint ja auch, dass alles, was Jesus getan und gesagt hat, ein Schlüssel zum Herzen Gottes war und ist.
Diesen Schlüssel wünsche ich uns allen und dass wir selber auch für andere zum Schlüssel für diese Erfahrung werden dürfen. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)