(Jes 61, 1 Thess 5, 16–24; Joh 1, 6–28)
Liebe Schwestern und Brüder,
wie soll man sich eigentlich nicht freuen, wenn einem so tolle Sachen passieren, wie sie der Prophet Jesaja in der 1. Lesung beschreibt? Freilich ist das eine wirklich frohe Botschaft, wenn gebrochene Herzen geheilt und Gefangene und Gefesselte befreit werden. Aber was ist, wenn Menschen das so gar nicht empfinden, wenn sie ihr Leben gerade ganz in Ordnung finden oder sich bemühen, diesen Eindruck zu erwecken? Brauchen sie dann Gott nicht mehr? Worüber freuen sie sich dann?
Oft hat man Gott vor allem in der Not gebraucht, bis hin zu dem furchtbaren Satz, dass Not beten lehre. Lehrt uns das Glück nicht beten? Wir fürchten uns nicht mehr vor fremden Göttern, mit Himmel und Hölle braucht man uns auch nicht mehr drohen. Viele unbekannte Phänomene sind erklärt, obwohl freilich noch viele, unerklärbare Phänomene bleiben. Aber Gott brauchen wir als Erklärung nicht mehr. Was also soll uns heute am Gaudete-Sonntag plötzlich freuen? Dass der Chor singt? Dass nächste Woche schon Weihnachten ist? Das allerdings kann für viele wirklich ein Grund zur Freude sein, weil dann bald der ganze Advents- und Weihnachtsstress vorbei ist. Jahr für Jahr wünschen wir uns einen besinnlichen Advent und eine ebensolche Weihnachtszeit. Doch in der Realität sind wir weit davon entfernt. Auch moralische Apelle helfen da nicht weiter.
Bewundernswert ist heute im Evangelium Johannes der Täufer, der freimütig bekennt, was er nicht ist, obwohl es doch eine Ehre wäre, sich in eine besondere Rolle drängen zu lassen. Vielleicht liegt genau hier ein Stück das Problem einer gewissen Freudlosigkeit, weil wir oft nicht den Mut haben, zu sagen, was wir nicht sind, was wir nicht wollen und was wir zu Advent und Weihnachten nicht wirklich schaffen, zu leben. Aber müssen wir das überhaupt? Und plötzlich ist unser Leben doch nicht mehr nur einfach eitel Sonnenschein und die kraftkostende Devise „nullo problemo“ löst sich in Luft auf.
Aber kommt nun Gott doch wieder nur in unserer Not an? Ohne Zweifel ist es heilsam, zugeben zu können, dass das Leben manchmal doch recht mühsam ist, dass uns das Glauben nicht mehr so leicht von der Hand geht und wir Mühe haben, Gott in der Alltäglichkeit zu entdecken. Aber es tut doch am Ende wirklich gut zu wissen, dass Er trotzdem zu uns kommt und bei uns ist, und zwar ohne Schimpfen, ohne Gewissenskeule und ohne moralischen und religiösem Druck.
Schließlich sind auch seine Gesandten keine religiösen Profis und toll Ausgebildete, sondern Geisterfüllte, also Frauen und Männer, Kinder und Jugendliche und Alte, die jemanden von Herzen sich freuen lassen über ihre Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Liebe, über ein liebes Wort, einen Trost, eine Umarmung.
Vielleicht ist es mir mal gelungen, zu sagen und zu leben, was ich nicht bin und nicht sein will und mich befreit zu fühlen von all den Gefangenschaften und Fesseln, die mir andere auferlegen und oft ich selber mir auch.
Hinter all‘ diesen Wundern von Glück und Freude, von Gelingen und Dankbarkeit versteckt sich die Nähe des Herrn. Vielleicht werden wir deswegen nicht gleich jubeln wie die Fans eines Künstlers. Aber Gott würde sich heute auch freuen und würde jubeln über jedes Danke für erfahrenes Glück, und sei es noch so klein. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)