(Spr 8, 22–31; Röm 5, 1–5; Joh 16, 12–15)
Liebe Schwestern und Brüder,
noch heute frage ich mich, wie ich eigentlich das Abitur geschafft habe? Die Differentialrechnung habe ich leider nie verstanden und verstehe sie bis heute nicht. Wenn man älter wird, häufen sich ja ohnehin eher mehr Fragen als Antworten auf! Natürlich kenne ich auch die Relativitätstheorie von Albert Einstein und seine berühmteste Formel der Welt „E=mc2“. Aber verstehen tue ich sie nicht. In der Quantenphysik wird es noch abenteuerlicher, obwohl es da wirklich auch sehr interessante Theorien gibt. Aber, wenn ich ehrlich bin und es mir recht überlege, verstehe ich nicht einmal so alltägliche Dinge wie den Fernseher, den Strom aus der Steckdose, das Smartphone etc.. Ich benutze sie, ohne wirklich zu verstehen, wie sie funktionieren. Im Grunde bin ich von so vielen, geheimnisvollen Dingen und Wirklichkeiten umgeben, dass ich eigentlich nur staunen kann. Sie sind da, das weiß, sehe oder spüre ich. Aber ich erfasse sie nicht zuerst mit meinem Intellekt. Ich lebe wie selbstverständlich damit, ohne sie wirklich zu verstehen. Das stört eigentlich niemanden, außer jene Menschen, die tiefer in die Dinge eindringen möchten, Wissenschaftler genannt. Sie verstehen mehr Zusammenhänge und landen am Ende aber auch nur wieder beim Staunen. Vermutlich ist das Staunen der Beginn allen Nachdenkens über die Welt, über sich selbst, ist das Staunen der Beginn aller Religion und Philosophie. Das Staunen ist eine urmenschliche Erfahrung.
Sie zwingt weder zum Glauben, noch zum Nichtglauben. Sie bewegt uns zum Nachdenken, zum Einordnen, vielleicht auch zur der vertrauensvollen Annahme, dass das doch alles kein Zufall sein kann. Dieses Vertrauen nenne ich „offenes Vertrauen“, weil es in „Gewusstes“ und in dogmatischem Denken und Fühlen nicht eingesperrt ist. Eigentlich will niemand da eingesperrt sein, wir nicht, andere nicht, die Dreifaltigkeit auch nicht.
Es mag sicher einige problematische Erklärungen zur Dreifaltigkeit und zur Wortwahl geben. Aber die Erfahrung und auch die Wissenschaften lehren uns staunend, dass Beziehung oder das „In-Beziehung-sein“ eine Grundmelodie des Lebens ist. Und wieviel Glück und Unglück, wieviel Sinn und Unsinn, spielen sich gerade in menschlichen Beziehungen ab!
Da glauben also Menschen, dass die Hintergrundstrahlung von allem Liebe ist. „Gott ist Liebe“ heißt es im 1. Johannesbrief (1 Joh, 4, 8).
Zur Liebe gehören immer zwei, sagt man. Und das Dritte ist dann nicht unbedingt das Kind, sondern der Urknall einer Liebe von Ich und Du. Wo Liebe im Kernreaktor des Herzens brennt und fusioniert, da kann sie nicht anders als strahlen und alles bewärmen, was sie umgibt. Die Kernfusion zweier Herzen entfacht das Feuer eines Heiligen Geistes, der trotz und in allem liebt. Warum? Er kann nicht anders, auch wenn er es nicht versteht. Muss er auch nicht. Denn schließlich soll ja das Herz Gründe kennen, die der Verstand nicht kennt, wie der französische Mathematiker, Physiker, Literat und christliche Philosoph Blaise Pascal (1623 – 1662) formulierte.
Dreifaltigkeit zu feiern, heißt, die Liebe zu feiern. Die Namen sind dabei nicht so wichtig. Wichtig ist, dass es geschieht, und das glauben und erhoffen und darauf vertrauen wir, als Menschen und Gläubige. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)