Drei­fal­tig­keits­sonn­tag (12.06.2022)

(Spr 8, 22–31; Röm 5, 1–5; Joh 16, 12–15)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
noch heu­te fra­ge ich mich, wie ich ei­gent­lich das Ab­itur ge­schafft ha­be? Die Dif­fe­ren­ti­al­rech­nung ha­be ich lei­der nie ver­stan­den und ver­ste­he sie bis heu­te nicht. Wenn man äl­ter wird, häu­fen sich ja oh­ne­hin eher mehr Fra­gen als Ant­wor­ten auf! Na­tür­lich ken­ne ich auch die Re­la­ti­vi­täts­theo­rie von Al­bert Ein­stein und sei­ne be­rühm­tes­te For­mel der Welt „E=mc2“. Aber ver­ste­hen tue ich sie nicht. In der Quan­ten­phy­sik wird es noch aben­teu­er­li­cher, ob­wohl es da wirk­lich auch sehr in­ter­es­san­te Theo­rien gibt. Aber, wenn ich ehr­lich bin und es mir recht über­le­ge, ver­ste­he ich nicht ein­mal so all­täg­li­che Din­ge wie den Fern­se­her, den Strom aus der Steck­do­se, das Smart­phone etc.. Ich be­nut­ze sie, oh­ne wirk­lich zu ver­ste­hen, wie sie funk­tio­nie­ren. Im Grun­de bin ich von so vie­len, ge­heim­nis­vol­len Din­gen und Wirk­lich­kei­ten um­ge­ben, dass ich ei­gent­lich nur stau­nen kann. Sie sind da, das weiß, se­he oder spü­re ich. Aber ich er­fas­se sie nicht zu­erst mit mei­nem In­tel­lekt. Ich le­be wie selbst­ver­ständ­lich da­mit, oh­ne sie wirk­lich zu ver­ste­hen. Das stört ei­gent­lich nie­man­den, au­ßer je­ne Men­schen, die tie­fer in die Din­ge ein­drin­gen möch­ten, Wis­sen­schaft­ler ge­nannt. Sie ver­ste­hen mehr Zu­sam­men­hän­ge und lan­den am En­de aber auch nur wie­der beim Stau­nen. Ver­mut­lich ist das Stau­nen der Be­ginn al­len Nach­den­kens über die Welt, über sich selbst, ist das Stau­nen der Be­ginn al­ler Re­li­gi­on und Phi­lo­so­phie. Das Stau­nen ist ei­ne ur­mensch­li­che Er­fah­rung.
Sie zwingt we­der zum Glau­ben, noch zum Nicht­glau­ben. Sie be­wegt uns zum Nach­den­ken, zum Ein­ord­nen, viel­leicht auch zur der ver­trau­ens­vol­len An­nah­me, dass das doch al­les kein Zu­fall sein kann. Die­ses Ver­trau­en nen­ne ich „of­fe­nes Ver­trau­en“, weil es in „Ge­wuss­tes“ und in dog­ma­ti­schem Den­ken und Füh­len nicht ein­ge­sperrt ist. Ei­gent­lich will nie­mand da ein­ge­sperrt sein, wir nicht, an­de­re nicht, die Drei­fal­tig­keit auch nicht.
Es mag si­cher ei­ni­ge pro­ble­ma­ti­sche Er­klä­run­gen zur Drei­fal­tig­keit und zur Wort­wahl ge­ben. Aber die Er­fah­rung und auch die Wis­sen­schaf­ten leh­ren uns stau­nend, dass Be­zie­hung oder das „In-Be­zie­hung-sein“ ei­ne Grund­me­lo­die des Le­bens ist. Und wie­viel Glück und Un­glück, wie­viel Sinn und Un­sinn, spie­len sich ge­ra­de in mensch­li­chen Be­zie­hun­gen ab!
Da glau­ben al­so Men­schen, dass die Hin­ter­grund­strah­lung von al­lem Lie­be ist. „Gott ist Lie­be“ heißt es im 1. Jo­han­nes­brief (1 Joh, 4, 8).
Zur Lie­be ge­hö­ren im­mer zwei, sagt man. Und das Drit­te ist dann nicht un­be­dingt das Kind, son­dern der Ur­knall ei­ner Lie­be von Ich und Du. Wo Lie­be im Kern­re­ak­tor des Her­zens brennt und fu­sio­niert, da kann sie nicht an­ders als strah­len und al­les be­wär­men, was sie um­gibt. Die Kern­fu­si­on zwei­er Her­zen ent­facht das Feu­er ei­nes Hei­li­gen Geis­tes, der trotz und in al­lem liebt. War­um? Er kann nicht an­ders, auch wenn er es nicht ver­steht. Muss er auch nicht. Denn schließ­lich soll ja das Herz Grün­de ken­nen, die der Ver­stand nicht kennt, wie der fran­zö­si­sche Ma­the­ma­ti­ker, Phy­si­ker, Li­te­rat und christ­li­che Phi­lo­soph Blai­se Pas­cal (1623 – 1662) for­mu­lier­te.
Drei­fal­tig­keit zu fei­ern, heißt, die Lie­be zu fei­ern. Die Na­men sind da­bei nicht so wich­tig. Wich­tig ist, dass es ge­schieht, und das glau­ben und er­hof­fen und dar­auf ver­trau­en wir, als Men­schen und Gläu­bi­ge. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)