(Dtn 4, 32–34.39–40; Röm 8, 14–17; Mt 28, 16–20)
Liebe Schwestern und Brüder,
es gab eine Zeit, da dachte man, die Naturwissenschaften würden irgendwann die Rätsel des Lebens und des Universums lösen können. Mittlerweile ist man bescheidener geworden, weil die Wirklichkeit eben äußerst komplex ist. Im Bezug auf unsere Mitwelt und die Naturgesetze der Erde beginnen wir zu ahnen, dass wir weder die „Krone der Schöpfung“, noch die Herren der Erde sind, die in ihrer unersättlichen Gier nichts mehr heilighalten, auch nicht die Gesetze des Lebens, die dauerhaft zu brechen, auch unser eigenes Dasein bedroht. Wir begreifen also, dass wir nicht über allem stehen, sondern mittendrin sind als Teil eines großen, geheimnisvollen Ganzen. Ohne es wirklich zu wollen, haben wir die Gotteserfahrung gemacht, die der Begriff „Dreifaltigkeit“ meint, nämlich wie sehr alles miteinander verbunden, voneinander abhängig und in Beziehung ist. Zu einer Beziehung gehören ein Ich und ein Du, die werden zum Wir, wo sie vom Geist der Liebe ergriffen und bewegt werden. Da gibt es keine Herrschaft mehr, auch keine heilige, die über anderen steht und ihre Macht gegen andere und nur für sich und eigene Interessen missbraucht. Gott wird nicht zuerst über den Verstand, sondern eher über das Herz erahnt, wie schon der französische Philosoph Blaise Pascal so schön formulierte: „Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt!“ Jesus von Nazareth hat Gott als unbegreifliche, treue und barmherzige Liebe verkündet und erfahrbar gemacht. Priesterliches Denken hat die Gottesbeziehung oft in einem „Wenn–Dann-Schema“ beschrieben, also wie heute im Buch Deuteronomium, wenn es da in etwa heißt: „wenn ihr die Gesetze haltet, dann wird es euch gut gehen“. Katastrophen können in diesem Denken dann als Strafe Gottes gedeutet werden, bis heute. Das aber ist Missbrauch Gottes, der Vertrauen, statt Angst, Barmherzigkeit, statt Opfer, Kinder Gottes, statt knechtische Menschen will. Sich vom Geist Gottes leiten zu lassen (Röm 8, 4), heißt sich vom Geist der Liebe leiten zu lassen. Aber dieser Geist ist nicht unser Geist, sondern er ist Gottes Geist, der uns zur Liebe antreibt. Denn „Kinder Gottes“ werden wir nicht zuerst durch die Taufe, sondern wir sind es durch die Kraft Seines Geistes. Wer die Dreifaltigkeit bekennt, der bekennt sich auch zur liebevollen Verbundenheit von allem und erkennt in allen Geschöpfen und allem, was ist, seine göttlichen Geschwister. Diese dreifaltige Liebe ist der Motor für eine gerechtere Welt und einem achtsamen Umgang mit allen Geschöpfen und der Schöpfung und damit auch mit dem Geheimnis Gottes. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)