Ern­te­dank­sonn­tag (25.09.2022)

(Röm 8, 19–26; Mt 5, 3–12)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
als ich un­längst von Se­vil­la nach Mün­chen zu­rück­flog, be­wun­der­te ich die Wol­ken, die un­ter mir wa­ren. Mir wur­de plötz­lich klar, dass auch Wol­ken kei­ne Selbst­ver­ständ­lich­keit sind und dass sie vor al­lem für uns zum Se­gen wer­den, wenn aus ih­nen er­sehn­te Was­ser­trop­fen fal­len. Der Ern­te­dank­sonn­tag will in uns ei­ne Hal­tung stär­ken, die ge­ra­de­zu über­le­bens­not­wen­dig und ge­sund­heits­för­der­lich ist. Es ist je­ne Hal­tung, die in dem Wort zum Aus­druck kommt, das un­se­ren sonn­täg­li­chen Got­tes­dienst be­zeich­net, näm­lich das grie­chi­sche Wort „Eu­cha­ris­tie“, das man mit „Dan­ke sa­gen“ über­set­zen kann. Nimmt man es wort­wört­lich, dann be­deu­tet „eu“ = gut und „cha­ris“ = Gna­de oder Ga­be. In ei­ner Eu­cha­ris­tie­fei­er dan­ken wir al­so zu­nächst ein­mal für die gu­te Ga­be der be­din­gungs­lo­sen und un­be­greif­li­chen Lie­be Got­tes, die in Je­sus von Na­za­reth Got­tes leuch­ten­des An­ge­sicht ge­wor­den ist. Bei al­len Mü­hen, die Men­schen für das Ern­ten dür­fen auf­brin­gen, ist doch das Wach­sen und Ge­dei­hen trotz­dem ein un­be­schreib­li­ches Ge­schenk. Was es be­deu­tet, wenn sich z.B. kei­ne Wol­ken bil­den, aus de­nen so­gar der Se­gen von Was­ser­trop­fen fal­len, das spü­ren wir auch ge­ra­de hier in Bran­den­burg seit ei­ni­gen Jah­ren in be­son­de­rer Wei­se.
Wenn Men­schen die Na­tur nur noch so ge­winn­brin­gend wie mög­lich aus­beu­ten, dann ha­ben sie nicht nur die Dank­bar­keit, son­dern auch die Lie­be und das Wis­sen um die Ver­bun­den­heit von al­lem ver­lo­ren. Und das ist wahr­lich le­bens­ge­fähr­lich. Für Men­schen, die zu glau­ben ver­su­chen und sich „re­li­gi­ös“ nen­nen, ver­letzt ei­ne sol­che Hal­tung auch das Ge­heim­nis Got­tes, der der Ur­sprung von al­lem ist und des­sen Ge­schöp­fe ei­ne „Spur der Lie­be Got­tes“ sind, wie der hl. Jo­han­nes vom Kreuz ein­mal sag­te.
Der Ern­te­dank­sonn­tag mö­ge al­so in al­len Men­schen, die ihn fei­ern, die Dank­bar­keit zum Blü­hen brin­gen, ei­ne Dank­bar­keit, die heil­sam für Men­schen, Tie­re und Pflan­zen, ja, für die gan­ze Schöp­fung ist. Dank­bar­keit wird so zu ei­nem ge­wach­se­nen Zei­chen von Lie­be, die sich wie­der de­mü­tig in die Rei­he der Ge­schöp­fe stellt und nicht über sie. Vor al­lem aber wird die gan­ze Schöp­fung zum Sa­kra­ment der Lie­be Got­tes, für das wir eben nur dan­ken kön­nen. Aber der Dank drängt na­tür­lich zum Wie­der­lie­ben, und das tut auf Dau­er der ge­sam­ten Schöp­fung gut, von der der Mensch ein Teil ist. Wo das al­so ge­schieht, wird Schöp­fungs­glau­be ernst ge­nom­men und Gott sel­ber in sei­ner Schöp­fung wirk­lich ge­liebt. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)