(Jes 65, 17–25; Röm 8, 19–26; Lk 17, 11–19)
Liebe Schwestern und Brüder,
es ist äußerst schwierig, am Erntedanksonntag nicht auch an das Leiden der Geschöpfe und der Mutter Erde zu denken und nur eine Predigt zu halten, die vor allem Mahnung ist.
Ich erinnere mich an eine Dokumentation mit dem Titel „Das kreative Universum“, in der ein Wissenschaftler sozusagen von „einem Elch geküsst wurde“. Ich glaube zumindest, dass es ein Elch war. Ich habe diese Szene nicht vergessen, weil der Elch dem Wissenschaftler etwas schenkte, wonach sich viele Menschen sehnen, nämlich nach inneren Frieden. Dieser Elch strahlte für den Wissenschaftler so etwas aus wie Frieden, der sich mehr und mehr auf den Betrachter übertrug. Gerade auch unsere Urlaube, wenn sie mehr als sinnloser „Ballermann“ sind, wecken in uns doch die Hoffnung, dass das Meer, die Berge oder in welcher Landschaft wir uns immer auch aufhalten, uns Erholung schenken mögen für Seele und Leib. Wie viele Haustiere und Grünpflanzen daheim erfreuen unser Herz oder auch die Wildtiere und Geschöpfe in der freien Natur. Der Wald z.B. ist nicht nur eine Ansammlung von Nutzholz, sondern eigenständiger, komplexer Lebensraum, auch für viele andere Tiere und Pflanzen.
Wir merken also, wie gut uns die Geschöpfe und die Natur an Leib und Seele tun. Dafür können wir nur dankbar sein und es in einer dankbaren Wertschätzung kundtun. Auch die Früchte der Erde wachsen nicht einfach nur für uns, sondern für sich selbst und den eigenen Lebenserhalt. Auf all das sollte uns der Erntedanksonntag auch aufmerksam machen. Zudem sagen uns die Mystiker, also die Gotterfahrenen, aller Religionen, dass Gott in allen Dingen wohnt und darin zu finden ist. Ich kann auch nicht müde werden, immer wieder den wunderbaren Spruch der heiligen Hildegard von Bingen zu wiederholen, wie sehr sich alle Kreatur nach liebender Umarmung sehnt. Es ist wirklich so, uns eingeschlossen. Klimaschutz ist nur ganzheitlich, wo er sich nicht nur Sorgen um die Zukunft der Menschheit macht, sondern sich praktisch darum bemüht, seine Mitgeschöpfe zu umarmen. Das tun wir, wenn wir für die Geschenke der Mitgeschöpfe und der Natur achtsam und liebevoll dankbar sind. Das tun wir, wenn wir daran denken, dass nicht nur wir, sondern auch sie die Handelnden und Schenkenden sind. Vor allem aber sollten Menschen, die zu glauben versuchen, daran denken, dass unsere Mitgeschöpfe und die ganze Schöpfung ein Sakrament der Gegenwart Gottes sind. Mit der Schöpfung warten wir, wie der heilige Paulus im Römerbrief schreibt, auf die Vollendung von allem durch Gott. Schon im Ersten Testament wird von einem neuen Himmel und einer neuen Erde geträumt, wie wir es bei Jesaja gehört haben. Einer Erde, die sich auf himmlischer Gerechtigkeit und himmlischen Frieden gründet, und zwar zwischen allen Geschöpfen und der Mutter Erde. Wir haben viele, viele Gründe, immer wieder dankbar zu sein. Wenn wir diese Gründe nicht mehr sehen, wird unsere Welt nur noch kalt und arm sein.
Doch wir feiern jetzt Eucharistie und wollen wachsen in dem, was dieser Name bedeutet: nämlich Dankbarkeit für eine Liebe, die uns vom Grashalm über den Elch bis hin zu Jesus und vielem anderen mehr berührt und zu dankbaren Menschen wandeln will. Und diese Dankbarkeit sollten wir nicht nur zum Erntedanksonntag zeigen, sondern jeden Sonntag und eigentlich Tag für Tag. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)